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Männer im mittleren Alter: Patienten „spezieller“ Art

Männer um die 50 stellen eine der größten therapeutischen Herausforderungen in der naturheilkundlichen Praxis dar. (Da ich selbst zu dieser sonderbaren, zumindest aber bemerkenswerten „Spezies“ zähle, gestatte ich mir diese These.) Vielfach in der Hauptphase ihres beruflichen Schaffens angelangt, gleichzeitig aber eher selten mit dem Bewusstsein für die wirklich wichtigen gesundheitlichen Themen ausgestattet (Ausnahme: „Männerschnupfen“), finden sie den Weg zum Heilpraktiker häufig allenfalls dann, wenn die Lebenspartnerin Tatsachen schafft – sprich: In Eigeninitiative einen Termin für ihren Mann vereinbart.
Ein Zustand, den ich leider schon allzu häufig beobachten durfte bzw. musste. Da auch die Patienten-Compliance in solchen Fällen vielfach zu wünschen übrig lässt, gestaltet sich eine adäquate Behandlung bisweilen schwierig. Für mich Anlass genug, anhand eines entsprechend gelagerten Fallbeispiels zu erläutern, wie man vielleicht doch noch den ein oder anderen Behandlungserfolg erzielen kann.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz‘. ‚Männer weinen nicht‘. Welcher Mann um die 50 und älter kennt sie nicht: Diese vermeintlichen Verhaltens-„Tipps“ für Jungs, aus denen mal echte Kerle werden sollen? Problem dabei: Solche Denkmuster bilden bis heute das „Fundament“ des gesamten (Un)gesundheitsbewusstseins zahlreicher Zeitgenossen. Kein Wunder also, dass entsprechend aufgewachsenen Herrn Begriffe wie ‚Gesundheitsvorsorge‘ häufig wie Fremdworte vorkommen. Eine zugegebenermaßen harte Nuss, die es für ambitionierte Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker zu knacken gilt.
Im folgenden Text möchte ich von einem entsprechend gelagerten Fall berichten, wie ich ihn nur allzu häufig in meiner Praxis vorfinde. Einer der Gründe dafür dürfte übrigens nicht zuletzt darin liegen, dass ich selbst auf die 50 zugehe. Nach Angaben zahlreicher Patienten, die ich mittlerweile schon etwas besser kenne, geht der Konsultation meiner Praxis nämlich beispielhaft häufig folgendes Gespräch voraus:
SIE: „Bluthochdruck, Übergewicht, Erektionsstörungen: So geht es nicht mehr weiter. Vielleicht solltest du mal zu einem Heilpraktiker gehen.“
ER: „Quatsch! Und wenn überhaupt, dann zu einem männlichen Heilpraktiker in meinem Alter, der versteht, wovon ich rede.“
SIE: „Dachte ich mir. Habe auch schon mal ein bisschen gegoogelt…“
Und nun zum konkreten Patientenfall: Rudolf B., 48 Jahre alt, selbstständiger Schreinermeister, 1,75 m groß, 95 kg schwer, trockene und angegriffene Haut, seit 31 Jahren Raucher, ca. 30 Zigaretten sowie jeweils mindestens 1 Liter Kaffee und Bier pro Tag, fleischlastige Ernährungsweise, kaum Sport, mit 173 mg/dl leicht erhöhtes LDL-Cholesterin, Blutdruck in Ruhe meist um die 155/95 mmHg, mit einem Wert von 8,2 leicht erhöhter Blutharnsäurespiegel (bislang ohne Gichtanfälle), insgesamt bescheidener Allgemeinzustand. Gründe des Praxisbesuchs (aus seiner Sicht): Fühlt sich immer „unter Strom“, häufig erkältet, 2014 Entzündung des linken äußeren Gehörgangs (Defektheilung unter Antibiotika), sporadische Ohrgeräusche, Kurzatmigkeit, Angst vor Schlaganfall, Herzinfarkt und Verlust der Potenz.
Bzgl. der Therapie zeigte sich wie so oft leider schnell, dass gar nicht daran zu denken war, Grundlegendes an den Ernährungsgewohnheiten des Patienten ändern zu können. Nichtsdestotrotz (bzw. gerade deshalb) vereinbarte ich mit dem Patienten zunächst 3 gleichzeitig durchzuführende Therapiemaßnahmen:

Entgiftung/Ausleitung:

Dazu verordnete ich folgende Medikamente der Firma Phönix, deren kombinierte Anwendung dem ein oder anderen Kollegen auch unter dem Begriff „Phönix-Ausleitungskonzept“ bekannt sein dürften: Silybum spag., Solidago spag., Thuja Lachesis spag. (jeweils zwei 100-ml-Packungen) sowie Urtica-Arsenicum spag. (eine 50-ml-Packung). Von letztgenanntem deshalb nur 50 ml, weil es vor allem die Entgiftungstätigkeit der Haut anregt, der Patient aber bereits vor Beginn der Therapie über Hautunreinheiten usw. klagte (siehe auch erklärenden Hinweis bei der Dosierung).
Ablauf:
Silybum spag., Solidago spag. und Urtica-Arsenicum spag. wurden im 3-tägigen Wechsel eingenommen, Thuja Lachesis spag. durchgehend. Der daraus resultierende 9-tägige Zyklus wurde 5 mal wiederholt. Die Entgiftungstherapie dauerte demnach 45 Tage.

Dosierung:

  • Phönix Silybum spag.: 180 Tropfen
  • Phönix Solidago spag.: 180 Tropfen
  • Phönix Urtica-Arsenicum spag.: 30 Tropfen (ohne Hautprobleme wären es 60 Tropfen)
  • Phönix Thuja Lachesis spag.: 60 Tropfen

Einnahme:
Die Tagesdosis der jeweiligen Arzneimittel wurde der Praktikabilität halber morgens in 1,5 Liter stilles Wasser geträufelt und über den Tag verteilt getrunken (keine Metalllöffel bzw. -gefäße verwenden). Begleitend empfahl ich dem Patienten eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (ca. 3 Liter pro Tag).

Immunsystemstimulierung / Darmsanierung:

Um das Immunsystem anzuregen, insbesondere nach Antibiotika-Einnahme, verwende ich in meiner Praxis häufig „Darmflora plus select“ von Dr. Wolz: Ein probiotisch-hochdosiertes Nahrungsergänzungsmittel, das acht verschiedene Milchsäurekulturen enthält, die sich nach aktueller Studienlage in ihrer Wirkung unterstützen. Vier davon (Lactobacillus acidophilus, casei, rhamnosus und plantarum) wirken im Bereich des Dünndarms, die übrigen vier (Bifidobacterium breve, bifidum und lactis sowie Streptococcus thermophilus) im Dickdarm.
Sie sind resistent gegen (Magen-)Säure und zahlreiche Antibiotika, haften gut an der Mukosa und produzieren rechtsdrehende Milchsäure. Des Weiteren enthält das Nahrungsergänzungsmittel B-Vitamine (B1, B2, B6 und B12 sowie Biotin und Folsäure), um das Wachstum der Milchsäurebakterien sowie das Immunsystem und die Erhaltung bzw. Regeneration der Darmschleimhaut zu unterstützen.
Die Dosierung sieht sowohl im Allgemeinen als auch im Falle B. aus wie folgt: 4 Kapseln „Darmflora plus select“ pro Tag zu den Mahlzeiten im Rahmen einer akuten Therapie. (Diese Empfehlung gilt übrigens auch und vor allem während einer Behandlung mit Antibiotika, wobei das Probiotikum möglichst zeitversetzt zu diesen eingenommen werden sollte.)

Immunsystemstimulierung / Eigenbluttherapie:

In meiner Praxis wird dem Blut in der Regel nichts, allenfalls – sowie im Falle B. – aber „Juv 110 Injektionslösung“ von Phönix hinzugefügt. (Je nachdem, was die Anamnese erfordert.) Es handelt sich um ein registriertes Komplex-Homöopathikum ohne Angabe von Anwendungsgebieten, dessen breites Einsatzspektrum sich u.a. durch die vergleichsweise zahlreichen verschiedenen Inhaltsstoffe erklärt: Acer negundo, Fraxinus Americana, Gallae turcicae, Haematoxylum campechianum, Lycopodium clavatum, Marsdenia cundurango, Prunus padus e cortice, Raphanus sativus, Scrophularia nodosa, Thuja occidentalis, Ulmus und Viscum Album.
Die genaue Durchführung der Eigenbluttherapie verläuft indes nach folgendem Schema:

  • 12 Termine bei erstmals durchgeführter Eigenbluttherapie (bei späteren Eigenbluttherapien in Folgejahren im Falle B.: 8 Terminen
  • Therapie-Zeitraum: 6 bzw. 12 Wochen; je nachdem, ob 2 oder 1 Termine wöchentlich erfolgen (was meiner Meinung nach aus therapeutischer Sicht unerheblich ist): Im Falle B. entschieden wir uns für 12 Wochen bzw. 1 Sitzung wöchentlich.
  • 1.-6. Termin: Es wird 1 ml Blut aus der Armvene entnommen, mittels eines „Foamake plus“-Adapters (Spenglersan) unter Druck mechanisch aufbereitet und in den Gesäßmuskel zurückgespritzt. Der mechanischen Aufbereitung kommt dabei besondere Bedeutung zu, da die einzelnen Blutkörperchen zerplatzen und so deren Bestandteile wie Eisen und Hämoglobin frei verfügbar werden. Dadurch entfaltet die ohnehin schon bewährte traditionelle Eigenbluttherapie eine noch stärkere Wirkung, als sie von je her besitzt.
  • 7.-12. Termin: Es werden 2 ml Blut aus der Armvene abgenommen, dann wie gehabt mittels Adapter unter Druck mechanisch aufbereitet und in den Gesäßmuskel zurückgespritzt.

Das Ganze erfolgt jeweils wie bereits erwähnt unter Zusatz einer Ampulle „Juv 110 Injektionslösung“

Zwischenfazit: Der Patient machte entgegen meiner Befürchtungen erstaunlich gut mit, entsprechende Fortschritte stellten sich binnen weniger Wochen ein. LDL-Cholesterin, Blutdruck und Harnsäurewerte pendelten sich nach rund zehn Wochen im oberen Normalbereich ein. B. berichtete darüber, sich „insgesamt fitter“ (und potenter) zu fühlen. Das Hautbild besserte sich zusehends von Termin zu Termin. Lediglich das Ohrgeräusch sei ihm nach wie vor „erhalten geblieben, wenn auch vielleicht ein wenig seltener“.

Juv 110-Injektion am Mastoid:

Um auch diesem Ohrgeräusch Herr zu werden und einer ggf. erneuten Entzündung des linken äußeren Gehörgangs vorzubeugen, vereinbarten wir 6 weitere Therapiesitzungen. Dabei wurde erneut jeweils 1 Ampulle „Juv 110 Injektionslösung“ injiziert: Jedoch nicht mehr intramuskulär und zusammen mit Blut, sondern unverdünnt intracutan ans Mastoid (übrigens nicht nur links, sondern auch rechts). Das genügte, um den Patienten von seiner „nervigen“ Ohrproblematik zu befreien. 

Resümee: Dem Patienten geht es definitiv wesentlich besser als zum Zeitpunkt der Erstkonsultation in meiner Praxis. Aus seiner Sicht war die Therapie, die ich gerne um weitere Ecksteine wie Nichtraucher werden, Entspannungsverfahren erlernen, Gewicht abbauen und Ernährung umstellen ergänzt hätte, ein voller Erfolg. Bleibt abzuwarten, ob er meine Praxis zumindest künftig einmal jährlich zwecks Folge-Eigenbluttherapie (wie bereits erwähnt nur noch 8 Termine) aufsuchen wird und ja vielleicht doch noch den ein oder anderen gegebenen Rat hinsichtlich Ernährung usw. befolgt. Ich bin gespannt und bleibe am Ball.


Autor:
Johannes W. Steinbach ist Heilpraktiker, Medizinjournalist, Fachbuchautor und Lebensmitteltechniker (staatl. gepr.) sowie Autor und Herausgeber der HPA-Lernskriptreihe (www.heilpraktiker-lernskripte.de).

Kontakt:
Naturheilpraxis Steinbach
Schillerstr. 18, 54329 Konz

Literatur:
• Männer weinen nicht, Constanze Löffler/Beate Wagner/Manfred Wolfersdorf, Goldmann, 2012
• Sorge für Dich, so lebst Du länger: Über Männlichkeit und Männergesundheit, Anne Stabrey, Brandes & Apsel, 2009

 

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