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Atemtherapie

Atemtherapie

Unter Atmung versteht man ganz allgemein die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlendioxid. Alle Zellen des menschlichen Organismus sind auf eine ständige Sauerstoffzufuhr und einen konstanten Abtransport des verbrauchten Sauerstoffs in Form von Kohlendioxid angewiesen. Diese Aufgaben erfüllt der Respirationstrakt (Atmungstrakt) in Zusammenarbeit mit dem Kreislaufsystem.

Obwohl es sich hier um eine unbewußte Körperreaktion handelt, atmen die meisten Menschen falsch. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und reichen von zu wenig Bewegung, bis hin zu psychosomatischen Leiden und Streß.

Bevor man sich mit der Atemtherapie beschäftigt, ist es notwendig, sich den gesamten Atemvorgang vor Augen zu führen.
Nur durch die profunde Kenntnis der Anatomie und des physiologischen Ablaufs der inneren und äußeren Atmung kann man die Fehlatmung des Patienten erkennen und dann – nach Diagnosestellung – behandeln.

Aufbau der Atmungsorgane
Zu den Atmungsorganen des Menschen zählen:

  • Nasenhöhle
  • Rachen
  • Kehlkopf
  • Luftröhre
  • Bronchien
  • Lunge


Die Körperteile vor der Lunge werden auch als zuführende Atemwege bezeichnet, da sie nicht direkt am Gasaustausch beteiligt sind.
Sie stellen lediglich die Zuleitung der Atemluft zur Lunge dar.
Die Funktion der zuleitenden Atemwege besteht in:

  • Reinigung der Atemluft
  • Befeuchtung der Atemluft
  • Erwärmung der Atemluft

 

Nasenhöhle

Die Nasenhöhle wird durch die in der Mitte liegende Nasenscheidewand in zwei Hälften unterteilt.
Der Gaumen trennt die Nasenhöhlen nach unten von der Mundhöhle.
Nach hinten führt die Nasenhöhle durch den Rachenraum zum Kehlkopf.
Die Nase ist ein sehr wichtiges Atmungsorgan, da sie die Atemluft filtert, befeuchtet und leicht erwärmt.
Zu diesem Zweck befinden sich in der Nasenhöhle unzählige winzige Härchen, durch die die Luft hindurch strömen muß und so wie an einem Rechen gereinigt wird.
Durch die feuchte Nasenschleimhaut wird die Luft außerdem noch befeuchtet, sowie beim Vorbeiströmen erwärmt.
Leider muß man in der Praxis immer wieder feststellen, daß die Nasenschleimhaut – durch den exzessiven Gebrauch von Nasensprays - nicht mehr intakt ist und ihrer physiologischen Aufgabe nicht mehr nachkommen kann.
Dann muß sie – bevor mit der Atemtherapie begonnen werden kann – mit den geeigneten Mitteln zunächst wieder aufgebaut werden.

Kehlkopf (Larynx)

Der Kehldeckel ist für das Schließen der Speiseröhre beim Atmen und für das Schließen der Luftröhre beim Schlucken zuständig.
Hierbei kann es zum Verschlucken kommen, wenn Speisestücke in die Luftröhre gelangen.
(Wenn das öfters oder sogar regelmäßig vorkommt, liegt mit Sicherheit eine Fehlatmung vor, die behandlungswürdig ist.)
Der Kehlkopf besteht aus einem knorpeligen Kehlkopfskelett, das durch mehrere Bandzüge in seiner Stellung gehalten wird.

Die einzelnen Teile des Kehlkopfskeletts werden nun einzeln beschrieben:

Ringknorpel

Der Ringknorpel bildet die Basis, auf der die anderen Knorpel angebracht sind.
Er ist mit dem Schildknorpel verbunden.

Schildknorpel

Der Schildknorpel "Adamsapfel" liegt oberhalb des Ringknorpels und ist durch einen Bandzug mit dem Zungenbein verbunden.
Er ist bei Männern kräftiger als bei Frauen ausgebildet und insgesamt der größte Knorpel am Kehlkopfskelett.
Er ist in der Regel einfach durch die Haut tastbar (leicht hervorstehender Knochen unterhalb des Kinns). Manchmal kann er auch durch eine davor liegende vergrößerte Schilddrüse verdeckt sein.

Stellknorpel

Die paarig angelegten Stellknorpel sitzen dem Ringknorpel auf.
Sie besitzen Fortsätze zur Befestigung der Stimmbandmuskulatur.

Kehldeckel (Epiglottis)

Der Kehldeckel ist mittels eines Bandes an der Innenseite des Schildknorpels befestigt.
Er schützt die Luftwege vor dem Eindringen von Fremdkörpern und Speisestücken.

Stimmbildung

Die Stimmbildung wird durch die Stimmlippenschwingung erzeugt.
Die Stimmritze (Glottis), Spalt zwischen den Stimmlippen/Stimmbändern, ist beim Mann ca. 2 - 2,4 cm lang.
Bei ruhiger Atmung ist sie ca. 0,5 cm breit und bei heftiger Atmung bis zu 1,4 cm breit.
Bei der Frau sind die Verhältnisse etwas kleiner.
Die geschlossenen und gespannten Stimmlippen werden durch einen Luftstoß geöffnet und in Schwingungen versetzt, wodurch Schallwellen entstehen.
Die Lautstärke ist abhängig von der Stärke des Luftstroms, die Tonhöhe von der Schwingungsfrequenz (Spannung der Stimmbänder).

Schluckakt

Beim Schluckakt wird der Kehlkopf reflektorisch durch den Zungengrund, der die Epiglottis auf den Kehlkopfeingang drückt, verschlossen.
Die Nahrung gleitet dann über die Epiglottis (Kehldeckel) in die Speiseröhre.
Die Stimmlippen sind dabei einander angenähert.
Dies ist neben dem Kehldeckelschluß einer der Schutzmechanismen, um das Eindringen von Nahrung in die Luftröhre zu verhindern.
Beim Husten kommt es zunächst zum Glottisverschluß. Dann erfolgt die "Sprengung" des Glottisverschlusses durch eine stoßartige Ausatmung.

Luftröhre und Bronchialbaum

Die Luftröhre (Trachea) folgt auf den Ringknorpel und verbindet als elastisches Rohr Kehlkopf und Bronchien.
Sie ist etwa 10 - 12 cm lang und aus hufeisenförmigen Knorpelspangen aufgebaut.
Diese Knorpelspangen werden durch das Bindegewebe untereinander verbunden.
Die Luftröhre teilt sich in Höhe des 4. - 5. Brustwirbels in den linken und rechten Hauptbronchus.
Der rechte Hauptbronchus teilt sich in drei Lappenbronchien, der linke Hauptbronchus nur in zwei.
Dann erfolgt die weitere Aufteilung in verschiedene kleinere Bronchien.

Lappenaufbau

Die Lunge besteht aus rechtem und linkem Lungenflügel.
Beide unterteilen sich weiter in Lappen:

  • Rechter Lungenflügel: Ober-, Mittel- und Unterlappen
  • Linker Lungenflügel: Ober- und Unterlappen

 

Bronchien

Nach Eintritt der beiden Hauptbronchien in die Lunge folgt nun ein, sich mehr und mehr verästelnder, Bronchialbaum.
Diese Bronchien teilen sich immer weiter auf und enden letztlich in den Alveolen.

Alveolen

Diese Alveolen, von denen es insgesamt etwa 300 Millionen gibt, werden von einem feinen Kapillarnetz überspannt.
Zwischen den luftgefüllten Alveolen und den Kapillaren, die aus der Lungenschlagader (Pulmonalarterie) hervorgehen, findet dann der eigentliche Gasaustausch statt.

Brustfell (Pleura)

Der Brustfellbeutel (Pleura) besteht aus dem Lungenfell, das direkt die Lunge überzieht und dem Rippenfell, das die Rippenwand und Zwerchfell überzieht.
Zwischen diesen Schichten ist ein Spalt, der sogenannte Pleuraspalt, der mit wenigen ml einer Flüssigkeit gefüllt ist und so, durch ein Vakuum, Lungenfell und Rippenfell zusammenhält.



Physiologie der Atmung

Der Gasaustausch zwischen Organismus und Umwelt bzw. Zelle und Umgebung heißt Atmung.
Man kann dabei den Vorgang der Atmung in eine äußere Atmung (Lungenatmung), den Abtransport im Blut und eine innere Atmung (Gewebsatmung) einteilen.

Äußere Atmung:

  • Transport der Atemluft über die zuleitenden Atemwege zu den Alveolen.
  • Übergang des Sauerstoffes von den Alveolen in das Kappilarblut der Lunge.

 

Atemgastransport:

  • Transport des Sauerstoffes, durch den Blutkreislauf zu den Gewebekapillaren
    (Ort des Verbrauches).

 

Innere Atmung:

  • Übergang des Sauerstoffs, von den Gewebekapillaren in die umgebenden Zellen.

 

Atemmechanik

Für die Füllung der Lunge mit Luft ist ein Unterdruck in der Lunge notwendig.
Der notwendige Unterdruck kommt durch eine Erweiterung des Brustkorbes in der Lunge zustande, so daß die Luft durch die Druckdifferenz zwischen der Außenluft und dem Lungeninhalt in die Lunge gelangt.
Dies wird weiter unten noch genauer erklärt.

Atemmuskulatur

An der Erweiterung des Brustkorbs und damit an der Einatmung (Inspiration) sind folgende Muskeln beteiligt:

  • Zwerchfell: wichtigster Atemmuskel, flacht bei Kontraktion ab.
  • Äußere Zwischenrippenmuskeln: heben bei Kontraktion die jeweils unteren Rippen nach vorne.
  • Atemhilfsmuskulatur: wird zusätzlich eingesetzt bei Atemnot.

 

Atemhilfsmuskulatur

Zur Atemhilfsmuskulatur, die normalerweise nur bei starken Belastungen gebraucht wird, gehören alle Muskeln, die von der Halswirbelsäule oder der Brustwirbelsäule entspringen und an den Rippen ansetzen.
Diese Muskeln können somit bei Kontraktion die obere Brustkorbhälfte anheben.

Einatmung

Bei der Einatmung hebt sich der Brustraum, durch Kontraktion der Zwischenrippenmuskulatur.
Gleichzeitig zieht sich das Zwerchfell zusammen und flacht sich dabei ab.
Dadurch wird der Innenraum des Brustkorbs kräftig erweitert.
Es entsteht ein relativer Unterdruck in der Lunge.
Durch diesen Unterdruck wird die Luft in die Lunge gesogen.

Ausatmung

Bei der Ausatmung erschlafft die Zwischenrippenmuskulatur und der knöcherne Brustkorb sinkt nach unten.
Gleichzeitig läßt die Spannung des Zwerchfells nach, es tritt nach oben und der Brustkorbinnenraum verkleinert sich.
Es entsteht nun ein Überdruck in der Lunge und die Luft wird nach außen gepreßt.

Austausch der Atemgase

Um Sauerstoff zu den Zellen zu transportieren und Kohlendioxid von den Zellen abzutransportieren, wird das Blut zum Verteilen verwendet.
Hierbei muß das Blut in der Lunge Kohlendioxid abgeben und Sauerstoff aufnehmen.
Dieser Austausch der Atemgase findet zwischen den Alveolen und Lungenkapillaren statt.
Es kommt hier zur Aufnahme von Sauerstoff (O 2 ) aus den Alveolen auf die Erythrozyten (Rote Blutkörper) und zur Abgabe von Kohlendioxid (CO 2 ) von den Erythrozyten in die Alveolen.
Treibende Kraft des Gasaustausches, der durch Diffusion stattfindet, sind die Konzentrationsunterschiede in den Alveolen und dem Kapillarblut.

Konzentrationsunterschiede

Die Konzentration an O 2 beträgt in der Alveole ca. 100 mm Hg, im Kapillarblut der Lungenarterie ca. 40 mm Hg.
Damit ergibt sich ein Konzentrationsunterschied.
Beim CO 2 ist dies umgekehrt.
Hier beträgt der Druck in der Alveole ca. 40 mm Hg, im Kapillarblut dagegen 46 mm Hg.
Auch dieser geringere Konzentrationsunterschied reicht aus, die Diffusion anzutreiben.

Zusammensetzung der Atemluft:

  Einatmung Ausatmung
Stickstoff 78 % 79 %
Sauerstoff 21 % 16 %
Kohlendioxid 0,03 % 4 %
Andere Gase 1 % 1 %

 

Einflußfaktoren auf den Gasaustausch

Faktoren, die den Gasaustausch und damit die Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff beeinflussen, sind:

  • Alveoläre Ventilation (Belüftung der Lunge)
  • Perfusion (Lungendurchblutung)
  • Diffusionskapazität


Das normale Ventilations/Perfusionsverhältnis der Lunge ist 0,8. 4 Liter alveolärer Ventilation/min stehen dabei einer Lungendurchblutung von ca. 5 Liter/min gegenüber (4:5 = 0,8). Störungen dieses Ventilations/Perfusionsverhältnisses nennt man Verteilungsstörungen. Verdickungen der Alveolarmembran, wie sie bei manchen Lungenerkrankungen vorkommen, führen zu einer Vergrößerung der Diffusionsstrecke, die die Atemgase überwinden müssen. Daraus ergibt sich eine Diffusionsstörung. Ebenso führen nicht belüftete Alveolen oder eine Minderdurchblutung der Kapillaren (z.B. Lungenembolie) zu Störungen des Gasaustausches. Der gesamte Raum der Atemwege, durch den die Luft im Körper bis zu den Lungenbläschen, wo der Gasaustausch stattfindet, strömt wird Totraum genannt. Der Totraum entspricht jedoch nicht dem Atemvolumen.

Atemfrequenz

Im Ruhezustand ist die Atemfrequenz pro Minute:

  • Erwachsener ca. 15
  • Jugendlicher ca. 15-20
  • Schulkind ca. 20
  • Kleinkind ca. 25
  • Säugling ca. 30
  • Früh-/Neugeborenes ca. 40-60


Nach diesem wichtigen Exkurs in die Anatomie und Physiologie der Atmung, zurück zum eigentlichen Thema, der Atemtherapie.



Die Entwicklung der Atemtherapie

(Quelle: Verband der Atemtherapeuten AFA)

 

Die Atemtherapie mit ihrem psychosomatischen Ansatz hat sich Anfang dieses Jahrhunderts aus der Begegnung der westlichen Atemlehren mit verschiedenen Elementen von Gymnastik, Tanz, Psychotherapie und dem fernöstlichen Atemwissen entwickelt.
Sie wird vor allem in Einzelpraxen vermittelt, aber seit Jahren auch in psychosomatischen Einrichtungen und Kurkliniken angewandt.
Als Fortbildung im medizinischen Bereich und in Heil-/Hilfsberufen hat sie einen festen Platz.

Inhalt

Die Atemtherapie spricht den Menschen in seiner Ganzheit an, d.h. Körper, Seele und Geist werden als Einheit verstanden.
Dem eigenen Atem zu lauschen, ihn bewußt zu erfahren und zuzulassen ist wesentlicher Bestandteil der Therapie; ebenso Wahrnehmung und Erfahrung des Körpers durch Bewegung und in der Ruhe.
Der Atem wird nicht durch bestimmte Techniken manipuliert, sondern kann seinem natürlichen Rhythmus folgen.
In einem Prozeß der Selbsterfahrung wird der Patient an seinen eigenen Atemrhythmus herangeführt.
In der bewußten Wahrnehmung entwickelt sich der Atem zu einer Kraftquelle. Körperbereiche, die bislang ihrer Wahrnehmung entzogen waren, werden wiederbelebt. Blockaden und Verspannungen werden deutlich und können sich lösen; die Seele bekommt Raum.
Bewußter Umgang mit dem Atem in seinen Möglichkeiten und Grenzen eröffnet das therapeutische Feld.
Durch die Arbeit am Atem können die Patienten allmählich Vertrauen in den eigenen Körper wiedergewinnen, Beschwerden werden gelindert.
Eine neue Lebendigkeit wird erfahren.
Die Atemtherapie fördert das Wohlbefinden und ist ein Weg der Selbsterfahrung zur persönlichen Entwicklung.

Indikationen

  • Asthma, chronischer Bronchitis, Emphysem und sonstigen Atemstörungen,
  • funktionellen Störungen des Verdauungs-, Herz- und Kreislaufsystems,
  • Erschöpfungs- und Spannungszustände,
  • Migräne, Depressionen und Ängste,
  • Haltungsfehlformen,
  • psychosomatischen Störungen
  • sie begleitet natürliche Lebensprozesse wie Schwangerschaft, Lebenskrisen und Sterben.

 

Die Therapie

Die Therapie hängt vom Schweregrad der Beschwerden ab, und von der Bereitschaft der Patienten mitzuarbeiten.
Oftmals ist eine längere Vorbereitungszeit und Aufklärung notwendig.
Es werden wöchentliche Termine mit dem Atemtherapeut/in, bzw. Atempädagogen /in empfohlen.
In der Einzelarbeit entwickelt sich ein Dialog zwischen dem Atem und den Händen der/des Therapeuten/in, ein direktes "Atemgespräch".
Hierbei verwischen sich oft die Grenzen zwischen Atemtherapie und Osteopathie.
Am Schluß jeder Einzelstunde steht das Gespräch, in dem das Erlebte besprochen wird.
In der Gruppenarbeit steht das eigenständige Üben im Vordergrund.
Eingesetzt werden Bewegungen, Dehnungen, Druckpunkte und Stimme, um Körperräume zu erleben.