Schlafstörungen: Aus dem Takt geraten
Ein aktives und erfülltes Leben ohne regelmäßigen, erholsamen Schlaf ist kaum denkbar. Von Schlafstörungen betroffene Patienten stoßen trotzdem häufig auf Unverständnis, weil die Umwelt ihr Leiden nicht direkt sehen kann und deshalb häufig kein Verständnis dafür aufbringt. Umso wichtiger ist es, sich dann nicht noch zusätzlich damit unter Druck zu setzen, unmittelbar nach dem Zubettgehen einschlafen zu müssen: Damit man am nächsten Tag auch bloß wieder seinen Mann in Arbeits- und Privatleben stehen kann. Genau solche Gedankengänge führen viel mehr allzu häufig dazu, dass die Negativspirale weiter an Fahrt gewinnt und von Einschlafstörungen betroffene Menschen immer mehr ins Abseits geraten. Von einem besonders drastischen Fall möchte ich an dieser Stelle berichten.
Kein Fall wie viele andere: Herr B., 32 Jahre, mit einem Gewicht von 112 kg verteilt auf 1,80 Meter Körpergröße adipös, suchte meine Praxis erst auf, nachdem er nach eigener Aussage vorher schon „alles andere“ probiert hatte. Sein Problem: Dermaßen drastische Schlafstörungen, die so weit führten, das „alles andere“ auch schon einen mehrtägigen stationären Psychiatrie-Aufenthalt umfasste. Ausgelöst durch einen Schlafentzug, unter dem der junge Mann ganze neun Tage am Stück gelitten hatte. Doch wie konnte es zu diesem „Rekord“ kommen?
Rückblende: Noch bis vor zwei Jahren war B. nahezu jeden Tag sportlich aktiv (Jogging und Mountainbiken) und wog „immer so knapp 80 Kilogramm“. Mit Schlafstörungen hatte er bis dahin keine nennenswerten Probleme. Bemerkenswerterweise obwohl er als gelernter Bäcker jeden Morgen um drei Uhr aufstehen musste und daher, trotz frühen Zubettgehens, regelmäßig einige Stunden seines täglichen Schlafes auf den frühen Nachmittag verlegen musste. Natürlich auch das schon keine Idealbedingungen, aber immerhin ein Schlafrhythmus, der in geordneten Bahnen verlief und mit dem B. bereits seit vielen Jahren gut zurechtkam.
Die Wende zum Schlechten kam indes dadurch, dass B., der zu diesem Zeitpunkt in einer festen Beziehung lebte, sich von der täglichen Nachtarbeit verabschieden wollte. Um auch mal abends etwas mit seiner Partnerin unternehmen zu können, wechselte er deshalb von einem kleinen Handwerksbetrieb zu einer industriell fertigenden Großbäckerei, die rund um die Uhr produzierte, auch an Sonn- und Feiertagen, und in der er auch tatsächlich vom jeweiligen Schichtleiter mehrmals monatlich zur Tagesschicht eingeteilt wurde. Der Haken an der Sache: B. erfuhr grundsätzlich immer erst am Freitag jeder Arbeitswoche, zu welcher Uhrzeit er in der kommenden Woche zur Arbeit erscheinen musste: um 0, 8 oder 16 Uhr.
Einmal ganz abgesehen davon, dass solche Bedingungen wohl kaum arbeitsschutzrechtlich erlaubt sein dürften, nahm B. sie klaglos hin. Anfangs, weil er seine Probezeit heil überstehen wollte; später, weil ihm auf Grund fehlenden Schlafs schlicht und ergreifend die Energie fehlte, eine entsprechende Diskussion innerhalb der Belegschaft anzustoßen bzw. sich persönlich beim Arbeitgeber zu beschweren. Viel mehr dachte B., er würde sich früher oder später schon noch daran gewöhnen: Fehlanzeige!
Stattdessen spitzte sich das Problem immer weiter zu. Oft mehrere Stunden vor dem Zubettgehen grübelte B. bereits, wie lange er wohl diesmal wieder zum Einschlafen brauchen würde. Mit dem Ergebnis, dass er immer häufiger gar nicht mehr einschlief, sondern einfach nur wach lag, bis der Wecker endlich klingelte. Die Folgen: B. war immer häufiger gereizt und gleichzeitig müde, was u.a. dazu führte, dass ihn seine Freundin, die keinerlei Verständnis für sein Leiden aufbrachte, verließ – B. nicht zuletzt deshalb einen nachhaltigen sozialen Rückzug vollzog und sich immer stärker in den eigenen vier Wänden verschanzte.
Damit einhergehend wurde B. immer unkonzentrierter, was u.a. dazu führte, dass er unabsichtlich einen kleineren Arbeitsunfall im Betrieb verursachte, bei dem sich ein Kollege leicht verletzte. Sein Arbeitgeber reagierte darauf mit absolutem Unverständnis, sah die Schuld allein bei B. und entließ ihn kurze Zeit später, nachdem B. immer häufiger vom Arzt arbeitsunfähig geschrieben worden war und dem Arbeitsplatz fernblieb.
Zu allem Übel wurde B. zu dieser Zeit mit Psychopharmaka behandelt, die eine starke Gewichtszunahme zur Folge hatten, wovon sein Arzt laut B. „vorab kein Wort erwähnte“. Für den normalerweise sportlich sehr aktiven Patienten nach eigenem Bekunden eine zweite echte „Katastrophe“, die dieser jedoch auf Grund medizinischer Unkenntnis allein auf weniger Sport und mehr „Nervennahrung“ wie Alkohol und Süßigkeiten zurückführte. Da ich in meiner Praxis öfter mit Schlafstörungen konfrontiert werde, wenn auch noch nie mit solch‘ gravierenden, konnte ich mir halbwegs vorstellen, unter welchem Druck der Patient stehen musste. B. bezeichnete seinen Zustand selbst als „kurz vor dem Platzen“.
Trotz sichtbar stärkstem Leidensdruck war der Patient auf Grund seiner schlechten Erfahrungen anfangs dennoch nicht bereit, die Medikamente einzunehmen, die ich ihm gerne verschrieben hätte. Gleiches galt für die von mir empfohlene Akupunktur. Das sollte sich erst später ändern. Nach eingehenden Gesprächen starteten wir die Therapie daher erst einmal nur als reine Ordnungstherapie mit zusätzlicher Erlernung eines Entspannungsverfahrens: Basierend auf der These, dass der Patient schlicht und ergreifend aus dem Takt geraten war. Anfangs „nur“ hinsichtlich des Tag-/Nacht-Rhythmus, später in vielerlei Beziehung. Ein anthroposophischer Behandlungsansatz, der sich auch mir als nicht 100-prozentigem Anthroposophen erschließt. Zumal sich das Prinzip der Ordnung auch in anderen von mir angewendeten naturheilkundlichen Therapieverfahren widerfindet.
Um seinen persönlichen Rhythmus wiederzuerlangen, sollte B. u.a. lernen, einen entsprechenden Ausgleich in seinen Alltag einzubauen: Mittels regelmäßig wiederkehrender Alltagsstrukturen und Rituale, die B. helfen sollten, wieder den Überblick über sein Leben zu gewinnen und mithilfe des Entspannungsverfahrens, wobei sich B. für Tai-Chi Chuan entschied.
Bei unserer Ordnungstherapie ging es indes nicht darum, B.‘s Tagesablauf exakt durch zu reglementieren, sondern es sollte lediglich ein ungefährer Rahmen geschaffen werden, der möglichst im Einklang mit dem menschlichen Biorhythmus steht und in dem der Patient sich bewegen kann, ohne sich bevormundet zu fühlen. Auch in Bezug auf die Ernährung bei der es – ebenfalls aus anthroposophischer Sicht – nicht genügt, eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen, Ballaststoffen und Spurenelementen sicherzustellen. Vielmehr zählt auch, saisonalen und regionalen Lebensmitteln den Vorzug gegenüber exotischeren Produkten zu geben, auf die unser Körper eventuell weniger gut vorbereitet ist. Wobei auch der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme eine entscheidende Rolle spielt. So weiß man heute, dass der menschliche Magen zwischen 19 und 21 Uhr eine kleine Verschnaufpause braucht.
Um wieder in seinen individuellen Schlaf- (und Lebens-)Rhythmus zu finden, wurde zusammen mit dem Patienten ein grober Tagesplan aufgestellt, wonach sich regelmäßig wechselnde Perioden von Entspannung und körperlicher Aktivität abwechselten. Etwa eine halbstündige Mittagspause zwischen 13 und 15 Uhr, wenn die biologische Uhr des Menschen ohnehin nach Ruhe verlangt – in Kombination mit einer ebenso langen Phase der körperlichen Betätigung, zum Beispiel Joggen oder Mountainbiken unmittelbar nach Verrichtung der Haushaltsarbeit. Das Wichtigste war jedoch, dass B. jeden Abend um 22 Uhr zu Bett gehen und um 5 Uhr wieder aufstehen musste. Ganz egal, wie gut er in den dazwischen liegenden Stunden geschlafen bzw. eben nicht geschlafen hat.
Eine weitere Maßnahme in Sachen Schlafhygiene sah vor, dass B. jeden Abend noch einmal den Tag rückwärts Revue passieren lassen sollte. Was war gut, was schlecht? Und was davon kann man vielleicht zum Positiven hin verändern, um besser zu schlafen? Natürlich schon vor dem Zubettgehen, damit B. nicht wieder ins Grübeln verfallen und erst recht wach liegen sollte. Und für den Fall, dass ihm im Bett doch noch etwas Wichtiges einfiele, sollte er stets einen Notizblock auf dem Nachttisch liegen haben, um seinen Gedanken festzuhalten. So würde er ihn zwar nicht vergessen, könnte ihn aber trotzdem zunächst einmal abhaken und beruhigt einschlafen.
Bei einer solchen Vorgehensweise kommt der Patienten-Compliance eine besondere Bedeutung zu. Soweit ich das beurteilen kann, ohne immer dabei gewesen sein zu können, trug B. seinen Teil in vorbildlicher Weise zum Gelingen bei. Das führte dazu, dass sich sein Schlaf erstaunlicherweise bereits nach zwei Wochen deutlich besserte – was wiederum sein Vertrauen in meine Behandlungsmethoden stärkte und B. dazu veranlasste, doch die von mir empfohlenen Medikamente zu nehmen und sich von mir akupunktieren zu lassen.
Entscheidende Bedeutung kam dabei der Kombination zweier spagyrisch-komplexhomöopathischer Arzneimittel der Firma Phönix zu:
- „Phönix Aurum spag.“ – ein goldhaltiges Präparat mit solaren Kräften: Gold ordnet man in der Spagyrik der Sonne zu. Solche Kräfte fördern Prozesse, welche im menschlichen Organismus während des Tages aktiver sind als nachts.
- „Phönix Argentum spag.“ – ein silberhaltiges Präparat mit lunar ausgerichteten Kräften: Silber ordnet man in der Spagyrik dem Mond zu. Diese Ausrichtung fördert Prozesse, welche im menschlichen Organismus nachts aktiver sind als am Tag.
Um diese beiden spagyrisch-komplexhomöopathischen Arzneimittel synergetisch verwenden zu können, hat der Hersteller das sogenannte „Circadiankonzept“ entwickelt, das vor allem dazu dient, einen gesunden Wach- und Schlafrhythmus wiederherzustellen bzw. zu fördern. Diesen circadianen Rhythmus bezeichnet man auch als „Innere Uhr“.
Als Schlüsselfaktor zu erholsamem Schlaf sollte das Circadiankonzept B. konkret dazu verhelfen, dass sich der Nacht-Prozess (wieder) am Abend manifestiert. Die praktische Durchführung verlief indes so, dass B. jeweils 20 Tropfen Phönix Aurum spag. zum Frühstück, im Laufe des Vormittags und zum Mittagessen einnehmen sollte. Im Laufe des Nachmittags, zum Abendessen und vor dem Zubettgehen folgten jeweils 20 Tropfen Phönix Argentum spag.
Obwohl Phönix Argentum spag. – heutzutage ein registriertes homöopathisches Arzneimittel ohne Angabe von Anwendungsgebieten – bis Februar 2005 u.a. mit der Indikation Nervenberuhigungsmittel zugelassen war (noch unter anderem Namen), verschrieb ich B. zusätzlich ein weiteres pflanzliches Beruhigungsmittel: Neurapas Balance von Pascoe, das sowohl Baldrian als auch Johannis- und Passionsblumenkraut enthält. Denn obwohl das Phönix-Präparat aus meiner Erfahrung heraus bereits sehr beruhigend wirkt, wollte ich die Therapie auf phytotherapeutischer Basis beschleunigen, damit der Patient bei der Stange bleibt. Über einen Zeitraum von sechs Wochen nahm er dazu täglich 3 x 2 Neurapas Balance-Tabletten ein (unabhängig von den Mahlzeiten), was den gewünschten Erfolg brachte: Vor allem B.‘s Stimmung besserte sich sichtlich, insgesamt wurde er etwas ruhiger.
Die Behandlung mit den beiden Phönix-Präparaten erfolgte dagegen über einen Zeitraum von drei Monaten: Kontinuierlich begleitet von einer Ohrakupunktur pro Woche, bei der mit Edelstahlnadeln (0,20 x 15 mm) am rechten Ohr (Rechtshänder) die Omegaachse sowie LTSP und Bourdiol und links der Valiumpunkt gestochen wurde. Deren Ziel: das Gegeneinanderwirken von Sympathikus und Parasympathikus zu optimieren.
Therapie-Fazit:
Obwohl der Patient zu Behandlungsbeginn häufig sehr müde war, nicht zuletzt auf Grund der verordneten strikten Bettruhezeiten, besserte sich der Schlaf zusehends. Er benötigt heute keine Medikamente mehr und besucht die Praxis nur noch sporadisch zu prophylaktischen Akupunktur-Sitzungen, „wenn ihm mal danach ist“. Die Trennung von seiner Partnerin hat er mittlerweile sehr gut verarbeitet. O-Ton B.: „Wenn sie so wenig Verständnis hat, war sie eh nicht die Richtige für mich.“ Insgesamt fühlt sich B. sehr gefestigt, hat mittlerweile etwas mehr als zehn Kilogramm abgenommen und kam über das „verordnete“ Tai-Chi Chuan zu einem gänzlich neuen Hobby: Karate, das vom gleichen Trainer unterrichtet wird.
Nach eigenem Urteil seien ihm im Laufe der Therapie ohnehin „einige Dinge klargeworden“, die er nun ändern wolle. Weshalb er auch keine Arbeitsstelle in seinem alten Beruf als Bäcker mehr anstrebe, sondern stattdessen über eine neue Ausbildung im metallverarbeitenden Bereich nachdenke. Gesamthaltung und Grundeinstellung des Patienten haben sich demnach deutlich zum Positiven gewendet. Er blickt wieder zuversichtlich in die Zukunft und begreift die durchlittene Lebenskrise mittlerweile als eine Art „Großreinemachen“ und Chance zu einem Neuanfang.
Ggf. Autoren-Kasten:
Johannes W. Steinbach ist Heilpraktiker, Lebensmitteltechniker, Medizinjournalist, Autor des Fachbuchs „Der Rote Faden: Prüfungswissen für Heilpraktiker“ und des Sachbuchs „Aktuelle Gesundheitsthemen: Aus Sicht der Naturheilkunde“ sowie Herausgeber der HPA-Lernskriptreihe heilpraktiker-lernskripte.de.