Viele Menschen kennen und fürchten ihn: Den Hexenschuss, der in der Fachsprache auch als Lumbago oder akute Lumbalgie bezeichnet wird. Nur eine falsche Bewegung, ein zu schweres Heben, und schon ist es passiert: Ein heftiger Schmerz schießt in den Rücken, das Kreuz wird blockiert. Betroffene Patienten können sich von einer Sekunde zur anderen kaum noch bewegen, leiden unter extremen Schmerzen.
Dazu kommt häufig panikartige Angst, von einem Bandscheibenvorfall oder noch Schlimmerem betroffen zu sein. Eine Angst, die jedoch meist unbegründet ist. Besonders häufig von der Hexe geschossen werden Patient(inn)en zwischen 25 und 30 Jahren. In diesem Alter erwischt es fast jeden einmal, zum Beispiel beim Sport. Von einem solchen Fall möchte ich im folgenden Text – stellvertretend für zahlreiche andere – berichten.
Vornüber in den Kofferraum gebeugt und die Sprudelkiste angehoben: Mehr war gar nicht nötig, um Carsten B. (25) zu einem Besuch in meiner Praxis zu bewegen. Aufgrund einiger früherer Besuche vermutete ich bereits bei der telefonischen Terminvereinbarung, dass der Hobbyfußballer unter einem Lumbago litt. Die weitere Untersuchung sollte dies zwar bestätigen, zeigte aber erfreulicherweise auch, dass dem keine wirklich schlimme Ursache zugrunde lag.
Die häufigsten Ursachen eines Hexenschusses sind viel mehr blockierte Wirbel bzw. verhärtete oder gezerrte Rückenmuskeln im Bereich der Lendenwirbelsäule. Letzteres war bei B. der Fall, was ich zwar ebenfalls vermutet, aber eben nicht sicher gewusst hatte. Also führte ich einige Tests durch, um etwa einen Bandscheibenvorfall ausschließen zu können.
Dazu gehörte neben Anamnese, neurologischer Untersuchung (Schmerzen, Ausfälle, Kribbeln usw.), Inspektion und Palpation u.a. der „Lasègue-Test“: Der Patient liegt dabei flach auf dem Rücken. Der Therapeut beugt das gestreckte Bein langsam im Hüftgelenk um bis zu 70 Grad.
Tritt dabei ein Dehnungsschmerz des Ischiasnervs und/oder der spinalen Nervenwurzeln im Bereich Lendenwirbelsäule oder Kreuzbein auf, wird die Beugung gestoppt – also nicht bis zur physiologisch möglichen Beugung fortgesetzt. Falls deutliche Schmerzen im Bein bis zu einem Winkel von etwa 45 Grad auftreten, die vom Rücken in das Bein schießen und bis unter das Knie ausstrahlen, ist der Test als positiv zu bewerten. Man spricht vom „positiven Lasègue-Zeichen“.
Wirkt sich eine zusätzliche Dorsalflexion des Fußes schmerzverstärkend aus, wird das als „positives Bragard-Zeichen“ bezeichnet. Beides war bei B. nicht der Fall.
Als Alternative zum Lasègue-Test, etwa wenn der Patient sich nicht gut auf den Rücken legen kann, dient der „Reklinationstest“. Den konnte ich meinem Patienten zwar ersparen, möchte ihn auf Grund seiner Praxisrelevanz aber dennoch kurz vorstellen: Es handelt sich gewissermaßen um die sitzende Version des Lasègue-Tests: Der gerade sitzende Patient lässt zunächst die Beine samt Unterschenkeln hängen. Positiv wäre dieser Test, wenn beim anschließenden Strecken des Kniegelenks der Oberkörper nach hinten ausweicht.
Diese Tests halte ich für besonders aussagekräftig, wenn der Lumbago die untere Wirbelsäule betrifft. Weitere aussagekräftige Tests, deren Durchführung zusätzlich bzw. vor allem dann Sinn machen kann, wenn Hals- oder Brustwirbelsäule betroffen ist, wären die folgenden:
Bereits diese Auswahl (die ich meinem Patienten ebenfalls ersparen konnte), der sich durchaus noch einige andere Tests hinzufügen ließen, zeigt ein breites Untersuchungsspektrum ohne Apparate-Medizin, die neben dem Arzt auch dem Heilpraktiker zur Verfügung steht. Im Falle positiver Ergebnisse oder bei bestehenden Unsicherheiten sollte der Patient ansonsten an einen Orthopäden verwiesen werden, um weitere Mittel wie bildgebende Verfahren usw. auszuschöpfen.
Handelt es sich dagegen „nur“ um einen Hexenschuss, benötigt dieser in erster Linie Zeit zum Auskurieren. Wer sich nicht schont, bekommt sogar häufig weitere Rückenbeschwerden an zusätzlichen Stellen, die aus der Schmerzvermeidungshaltung resultieren. Der Schmerzkreislauf nimmt seinen Lauf.
Das bedeutet nicht, dass Heilpraktiker gar nichts zur Genesung beitragen können, im Gegenteil: Liegt die Lumbago-Ursache etwa darin begründet, dass sich ein Wirbel verschoben hat, bieten sich aus Sicht der Naturheilkunde gleich mehrere Therapieverfahren an:
Daneben gibt es weitere naturheilkundliche Therapieverfahren, die ergänzend Sinn machen bzw. schon allein helfen können, wenn der Hexenschuss aus reiner Muskelverspannung oder -zerrung resultiert:
In Kombination zu einer oder mehreren der vorgestellten Möglichkeiten kommt in meiner Praxis außerdem meist der Einsatz folgender Arzneimittel der Firma Phönix:
Besser als jede Therapie ist jedoch generell, dem Hexenschuss und anderen Rückenleiden vorzubeugen. Dabei gilt mit Einschränkungen: Jede Sportart ist grundsätzlich besser als gar kein Sport. „Mit Einschränkungen“ heißt beispielsweise, dass selbst Golf mit seinen extremen Drehbewegungen grundsätzlich besser ist als nichts – vorausgesetzt, man beherrscht diesen Sport. Damit zu beginnen wäre dagegen weniger empfehlenswert, da Anfänger oft Schwung nehmen und anschließend den Schläger ungebremst im Rasen versenken.
Generell positiv sind dagegen die Teilnahme an einer Rückenschule mit wertvollen Tipps für den Alltag sowie ein maßvolles Krafttraining der Rückenmuskulatur im Studio und bzw. oder auf einer Vibrationsplatte (auch Power Plate oder einfach nur Rüttelplatte genannt). Ziel: Die von Hexenschüssen am häufigsten betroffenen Muskeln sowie den gesamten Stützapparat des Rückens samt tiefliegender Muskulatur zu stärken, die heute bei vielen Menschen unserer Zivilisationsgesellschaft untrainiert sind. Schwimmen wäre ebenfalls sehr gut, vor allem Rückenschwimmen, da man dabei nicht ins Hohlkreuz verfallen kann.
Oder eine gemäßigte Kampfsportart, da diese ein ganzheitliches Training beinhalten. Insbesondere Karate: Dass Karate die Gesunderhaltung von Körper und Geist präventiv stärkt, gilt mittlerweile wissenschaftlich als bewiesen – so zum Beispiel wieder jüngst in Evaluationen der Uni Regensburg zum Thema Karate für Ältere.
Auch im Rahmen des Qualitätssiegels „Sport pro Gesundheit“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gibt es mit „Budomotion“ ein entsprechendes Angebot zum Einstieg in diesen Sport, den etwa zahlreiche Vereine des Deutschen Karate Verbandes (DKV) anbieten. Innerhalb des DKV gibt es zudem das Referat „Jukuren“ für Späteinsteiger im Sinne von Breitensport für Ältere für mehr Fitness und Gesundheit.
Fazit: Patient B.s‘ Bewegungsfähigkeit war nach rund 10 Tagen komplett wiederhergestellt, wozu bereits die beschriebenen Neuraltherapiesitzungen sowie die Gabe der spagyrischen bzw. komplexhomöopathischen Arzneimittel genügten. Von sich aus trug B. außerdem durch körperliche Schonung sowie lokale Anwendung erwärmter Körnerkissen zum Therapieerfolg bei. Doch auch wenn sich die Ursache eines Hexenschusses oft als harmlos herausstellt, muss zunächst jede schlimmere möglicherweise zu Grunde liegende Ursache ausgeschlossen werden. Denn nicht jeder Hexenschuss endet so glimpflich. Und ein verschleppter Bandscheibenvorfall landet auch heute noch allzu häufig unter dem Chirurgen-Messer.
Literatur:
Autor:
Johannes W. Steinbach ist Heilpraktiker, Medizinjournalist, Fachbuchautor und Herausgeber von heilpraktiker-lernskripte.de (www.heilpraktiker-lernskripte.de).
Kontakt:
Naturheilpraxis Steinbach
Schillerstr. 18, 54329 Konz