Hypertonie und drohender Burnout: Wie die Naturheilkunde helfen kann
Im Rahmen einer Teilzeitstelle nahezu das Gleiche leisten müssen wie vorher als kinderlose Ganztagskraft: Leider keine Seltenheit, sondern genau das, was viele (alleinerziehende) Mütter heutzutage beim Wiedereinstieg in ihren ursprünglichen Job erleben. So auch Silke B. (36), Ingenieurin und Qualitätsmanagerin in einem mittelständischen Betrieb und vor rund zwei Jahren erstmalig in meiner Praxis vorstellig geworden.
Trotz zumindest teilweise stressbedingter primärer Hypertonie und allen Anzeichen eines drohenden bzw. sich bereits entwickelnden Burnouts kam ein Arbeitgeberwechsel aus verschiedenen Gründen zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht infrage. Was also tun?
An den eigentlichen Problemen etwas ändern konnte natürlich nur die Patientin selbst. Als behandelnder Heilpraktiker konnte ich jedoch meinen Teil dazu beitragen, die Patientin aus ihrer „Opferrolle“ zu befreien und (wieder) in die Lage zu versetzen, weniger panisch in die Zukunft zu schauen und eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
Der Begriff „Burnout“ umschreibt keine eindeutig anerkannte schulmedizinische Diagnose. Würde uns das interessieren, wären wir wohl keine guten Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker. Dennoch lohnt sich ein Blick darauf, womit wir es beim Burnout eigentlich zu tun haben. Ein Definitionsversuch: Es handelt sich um ein langfristiges „Ausgebranntsein“ nach anhaltender Überforderung, das sich überwiegend jobbezogen über einen längeren Zeitraum entwickelt und als mögliche Vorstufe einer Depression gilt, die letztendlich alle Lebensbereiche, auch den privaten, betreffen würde.
Im Gegensatz zu depressiv Erkrankten können von einem Burnout Betroffene (bzw. wie im Falle B. „nur“ bedrohte) Menschen aus eigenem Antrieb jedoch häufig noch etwas an ihrer Situation ändern. Wie man dabei als Heilpraktiker helfen kann bzw. welche naturheilkundlichen Therapiemaßnahmen diesbezüglich infrage kommen, möchte ich im folgenden Text kurz darstellen. Vor allem – aber nicht nur – in Bezug auf Frau B., bei der sich nicht nur ein Burnout zu entwickeln drohte, sondern parallel dazu (womöglich als Folge?) eine diagnostisch abgeklärte primäre Hypertonie vorlag.
Die möglichen Therapie-Bausteine, die ich häufig kombiniere:
Phönix Aufbautherapie:
Laut Hersteller handelt es sich dabei zwar eigentlich um eine Kur für Kinder bis zum 15. Lebensjahr. Meiner Erfahrung nach leistet sie aber auch bei Erwachsenen gute Dienste, wenn bereits ein Burnout vorliegt bzw. man diesen verhindern möchte (also auch im Falle B).
Im Rahmen dieses Aufbaukonzepts kommen drei komplexhomöopathische Medikamente zum Einsatz, die im kontinuierlichen Wechsel für Harmonisierung, Erholung und Stärkung sorgen sollen und über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten im dreitäglich wechselnden Rhythmus verabreicht werden. Sinn und Zweck des Ganzen ist die Selbstheilungskräfte des Körpers zu sensibilisieren und den Organismus zu unterstützen, alltäglichen Belastungen besser gewachsen zu sein.
Bei den Homöopathika handelt es sich im Einzelnen um folgende:
- Mercurius solibilis Phcp
- Dulcamara S Phcp
- Acidum nitricum S Phcp
Der konkrete Einnahmeplan für Erwachsene sollte dabei so aussehen:
- 1.-3. Tag: morgens, mittags und abends je 10 Globuli Mercurius solibilis Phcp
- 4.-6. Tag: morgens, mittags und abends je 10 Globuli Dulcamara S Phcp
- 7.-9. Tag: morgens, mittags und abends je 10 Globuli Acidum nitricum S Phcp
Jeder Zyklus dauert demnach 9 Tage. Am 10. Tag wird von vorne begonnen, wobei das Medikament weiterhin alle 3 Tage gewechselt wird.
Ohrakupunktur:
Nahezu immer ist eine Akupunktur gemäß der französischen Ohrakupunktur nach Dr. Paul Nogier Bestandteil einer Burnout-Therapie in meiner Praxis, die im Falle B. insgesamt 10 mal durchgeführt wurde (2 mal pro Woche). Dabei steche ich die drei Punkte der Omegaachse (Omegahauptpunkt sowie Omega 1 und 2) sowie darüber hinaus zusätzlich die Punkte LTSP und Bourdiol am dominanten Ohr sowie den sogenannten Valiumpunkt am nichtdominanten Ohr.
Ziel: Eine gesunde Balance von Sympathikus und Parasympathikus (wieder)herzustellen.
Mittels dieser Akupunktur lässt sich die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse kurzfristig beruhigen, die durch Stress stimuliert wird – was letztendlich wiederum dazu führt, dass das körpereigene Hormon Cortisol ausgeschüttet wird, wodurch der Blutdruck steigt. Um außerdem dem konkreten Blutdruckanstieg entgegen zu wirken, stach ich bei Frau B. zusätzlich den Thalamus-, Renin-/Angiotensin- und Betarezeptorenpunkt am dominanten Ohr.
Ordnungstherapie + Entspannungsverfahren:
Um es vorweg zu nehmen: Beide Vorschläge stießen nicht direkt auf Gegenliebe der Patientin, weshalb sie im konkreten Fall – zunächst – nicht angewendet wurden. Dennoch möchte ich sie kurz skizzieren, da ich sie für immens wichtig halte und häufig empfehle (meist kombiniert).
Bei der Ordnungstherapie geht es darum, einen ungefähren Rahmen für den Ablauf des Alltagsablaufs zu schaffen, der dem menschlichen Biorhythmus entspricht und in dem sich der oder die Patient(in) bewegen kann, ohne sich gleich bevormundet zu fühlen. Auch in Bezug auf die Ernährung, bei der es u.a. aus anthroposophischer Sicht nicht genügt, eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen, Ballaststoffen und Spurenelementen sicherzustellen.
Vielmehr zählt auch, saisonalen und regionalen Lebensmitteln den Vorzug gegenüber exotischeren Produkten zu geben, auf die unser Körper eventuell weniger gut vorbereitet ist. Wobei immer auch der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme eine entscheidende Rolle spielt. So geht man heute u.a. davon aus, dass der menschliche Magen zwischen 19 und 21 Uhr eine kleine Verschnaufpause braucht.
Je nachdem, ob im individuellen Fall auch Schlafprobleme vorliegen, sollte des Weiteren ein grober Tagesplan erstellt werden, wonach sich regelmäßig wechselnde Perioden von Entspannung und körperlicher Aktivität abwechseln. Etwa eine halbstündige Mittagspause zwischen 13 und 15 Uhr, wenn die biologische Uhr des Menschen ohnehin nach Ruhe verlangt – in Kombination mit einer ebenso langen Phase der körperlichen Betätigung, zum Beispiel Joggen nach der Arbeit. Wichtig ist zudem, dass Zubettgeh- und Aufstehzeit jeden Tag gleich sein sollten – völlig unabhängig von der jeweils empfundenen Müdigkeit, damit sich ein verlässlicher Schlaf-Wach-Rhythmus einstellt.
Je nach Fall und Lage empfehle ich dem Patienten außerdem, ein Entspannungsverfahren zu erlernen, um Stress besser bewältigen zu können. Entsprechend Vorlieben und Interessen des Patienten kämen diesbezüglich zum Beispiel infrage:
- Autogenes Training: Mittels passiver Konzentration werden Muskeln, Kreislauf und vegetatives Nervensystem autosuggestiv (selbstbeeinflussend) entspannt. Diese Entspannung sowie deren positive Wirkung auf zahlreiche Organfunktionen ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren sogar wissenschaftlich belegbar.
- Progressive Muskelentspannung: Bei diesem auch unter dem Namen „Tiefmuskelentspannungstraining nach Jacobson“ bezeichneten Verfahren werden einzelne Muskelgruppen gezielt an- und nach kurzer Zeit wieder entspannt. Dadurch sollen Blutdruck und Pulsfrequenz sinken, der Organismus zur Ruhe kommen und die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden.
- Qigong: Bei dieser fernöstlichen Methode sollen spezielle Atem-, Bewegungs-, Konzentrations- und Meditationsübungen den Energiefluss im Körper regulieren bzw. harmonisieren.
- Yoga: Bei diesem indischen Verfahren geht es darum, bestehende Blockaden anhand geistiger und körperlicher Übungen aufzuspüren und zu beseitigen; außerdem ein Gespür für die eigene Lebensenergie zu entwickeln und diese Aufmerksamkeit in den Alltag zu integrieren.
- Biofeedback: Der Übende lernt, autonome Körperfunktionen wie Pulsfrequenz oder Hirnströme willentlich zu beeinflussen. Das Biofeedback kann deshalb sowohl als eigenständiges Verfahren als auch zur Unterstützung sonstiger Entspannungsverfahren eingesetzt werden.
Fußreflexzonenmassage:
Mittels manueller Stimulierung von Nervenendpunkten am Fuß soll eine entspannende bzw. heilende Wirkung erzielt werden. (Des Weiteren kann die Fußreflexzonenmassage Hinweise zu bestehenden bzw. sich entwickelnden gesundheitlichen Beschwerden liefern, denen im Laufe der weiteren Massage entgegengewirkt werden kann. Das jedoch nur grundsätzlich, da es im Falle B. keine Rolle spielte.)
Aus medikamentöser Sicht kommt generell Folgendes infrage:
Zincum valerianicum comp. Hevert:
Wirkstoffe: Cimicifuga Dil. D2, Cocculus Dil. D4, Cypripedium pubescens Dil. D3, Ignatia Dil. D6, Passiflora incarnata Dil. D3, Platinum metallicum Dil. D8, Valeriana Dil. D2, Zincum valerianicum Dil. D5
Applikation: im Falle B. parallel zu den Ohrakupunktur-Sitzungen 2 mal wöchentlich jeweils 1 Ampulle (2 ml) i.m. (insgesamt 10 mal)
Von Fall zu Fall injiziere ich das Arzneimittel jedoch auch s.c. (ca. 0,1 ml pro Quaddel) in bestimmte Akupunkturpunkte, wobei laut Hersteller je nach exaktem individuellen Leiden vor allem die folgenden infrage kommen:
- Psychovegetatives Syndrom: Ni 3, 9, 10; He 5, 7; LG 15
- Schlafstörungen: LG 20; MP 6; He 7; KG 17; KS 6
- Schlaflosigkeit: Ma 45; KS 6; MP 6; He 7; LG 20; Bl 62; Gb 44
- Neurasthenie: MP 3, 6; Ma 36; He 7; KG 14, 17; Le 3; Bl 15, 20
- Depressive Verstimmungen bei Agitation: He 7; KS 6; LG 20; Le 3, 14; BI 18, 19, 62; Gb 24
Bei Injektionsvorbehalten oral alternativ bzw. im Falle B. zusätzlich kommen u.a. zwei spagyrisch-komplexhomöopathische Arzneimittel infrage, die ich in meiner Praxis häufig verwende:
Phönix Zincum spag.:
Charakteristik/Hintergrund: Bei diesem Medikament dient Zink (Zincum metallicum) als homöopathische Leitsubstanz: Ein essentielles Spurenelement, das als Aktivator zahlreicher Enzyme gilt, die Teilung der mit spezifischen Antikörpern besetzten B-Zellen sowie die Lymphozyten-Ausbildung fördert bzw. beschleunigt und somit unverzichtbar für die humorale und zelluläre Abwehr ist.
Inhaltsstoffe: Arnica montana e floribus sicc. Glückselig Dil. D2, Atropa bella-donna e foliis rec. Glückselig Dil. D4, Aurum chloratum Dil. D5, Bolus alba spag. Glückselig Ø, Camphora Dil. D3, Cuprum sulfuricum Dil. D4, Hydrargyrum bichloratum spag. Glückselig Dil. D6, Paeonia officinalis e floribus sicc. Glückselig Ø, Stibium sulfuratum nigrum Dil. D8, Tartarus depuratus spag. Glückselig Ø, Valeriana officinalis Glückselig Ø, Zincum metallicum Dil. D8.
Dosierung im Falle B.: 5 Wochen lang 4 mal 20 Tropfen täglich, danach weitere 5 Wochen 4 mal 10 Tropfen täglich.
Phönix Valeriana spag.:
Charakteristik/Hintergrund: Wie der Name bereits vermuten lässt, dient das Mittel u.a. zur Linderung von Schlafstörungen mit Unruhe und nervösen Störungen sowie Hypertonie. Leitsubstanz ist Baldrian (Valeriana officinalis), das in der Homöopathie als mildes Sedativum und Spasmolytikum gilt. Die Zubereitung, die zur Herstellung der Phönix-Spagyrika Verwendung findet, ist nach Phönix-Firmengründer Conrad Johann Glückselig benannt und trägt die Bezeichnung Valeriana officinalis Ø Glückselig (HAB, Vorschrift 54c).
Inhaltsstoffe: Arnica montana e floribus sicc. Glückselig Dil. D2, Aurum chloratum Dil. D5, Bolus alba spag. Glückselig Ø, Camphora Dil. D3, Cuprum sulfuricum Dil. D4, Digitalis purpurea Glückselig Dil. D4, Hydrargyrum bichloratum spag. Glückselig Dil. D6, Plumbum aceticum spag. Glückselig Dil. D4, Stibium sulfuratum nigrum Dil. D8, Tartarus depuratus spag. Glückselig Ø, Valeriana officinalis Glückselig Ø.
Dosierung im Falle B.: 5 Wochen lang 4 mal 20 Tropfen täglich, danach weitere 5 Wochen 4 mal 10 Tropfen täglich.
Dabei empfiehlt sich häufig (so auch bei B.) die Kombination mit folgendem weiteren spagyrisch-komplexhomöopathischen Arzneimittel:
Phönix Argentum spag.:
Charakteristik/Hintergrund: Differenziert betrachtet wird Argentum (Silber) in der Homöopathie auch bei nervöser Erregbarkeit, Hitzewallungen sowie bei Neigung zu nervös bedingter Diarrhoe eingesetzt. Dazu kommt der spagyrische Aspekt, wonach Silber dem Mond zugeordnet wird und daher u.a. gegen Nervosität sowie Konzentrations- und Schlafstörungen helfen soll.
Inhaltsstoffe: Argentum nitricum Dil. D5, Cuprum sulfuricum et Sulfur et Tartarus depuratus (1:1:1) spag. Glückselig Ø, Zincum metallicum Dil. D8.
Dosierung im Falle B.: 5 Wochen lang 4 mal 20 Tropfen täglich, danach weitere 5 Wochen 4 mal 10 Tropfen täglich.
Fazit:
Gemessen am langwierigen Beschwerdebild ließ der Erfolg der Behandlung nicht lange auf sich warten. Die Patientin zeigte sich bereits nach den ersten fünf Wochen sehr zufrieden und hatte nach eigenem Bekunden ein deutliches Plus an Entspannungs- und Handlungsfähigkeit zurückerlangt. Auch die Blutdruckwerte pendelten sich allmählich wieder im oberen Normbereich ein.
Davon zugegebenermaßen „trotz anfänglicher Skepsis positiv überrascht“, besuchte B. in eigener Regie doch noch einen Yoga-Kurs der Volkshochschule, wollte ansonsten auch auf etwas „weniger Chaos zugunsten von mehr Regelmäßigkeit“ in ihrem Alltag achten. In Absprache mit Frau B. beließen wir es ansonsten bei der zehnwöchigen Behandlung, wobei nicht nur die Patientin selbst, sondern auch ich ein gutes Gefühl hatten und bis heute haben.
Ihren Arbeitgeber wechselte Frau B. übrigens nicht: Sie fand viel mehr zurück zu altem Selbstvertrauen sowie zu neuer Gelassenheit. Konkret bedeutet das, dass sie ihrem Arbeitgeber unmissverständlich klar machte, unter diesen Bedingungen nicht mehr weiter für ihn arbeiten zu wollen. Und was es für diesen bedeuten würde, ihre Stelle erneut adäquat zu besetzen: Schließlich sei ihm das während ihrer zweijährigen Erziehungsauszeit ja auch nicht gelungen. Ein Argument, das nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines leergefegten Arbeitsmarktes saß – das sie sich jedoch noch einige Wochen vorher nicht so klar zu formulieren getraut hätte.
Literatur:
- Atlas der Homöosiniatrie, Harald Kämper, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, 2008
- Ohrakupunktur: Leitfaden für Theorie und Praxis, Nikolaus Linde, Sonntag
Autor:
Johannes W. Steinbach ist Heilpraktiker, Medizinjournalist, Fachbuchautor und Herausgeber von heilpraktiker-lernskripte.de (www.heilpraktiker-lernskripte.de).
Kontakt:
Naturheilpraxis Steinbach
Schillerstr. 18, 54329 Konz