Meerwasser in der Homöopathie
Das Trinken von Meerwasser (MW) findet sich schon bei den seefahrenden Völkern als uralter Heilbrauch.
Griechen und Römer tranken ihren "Vinum salsum", eine Mischung aus Wein, Honig und Seewasser zu gleichem Teilen als Tonicum und Drasticum.
Um 1750 gründet der englische Arzt Russel in Brighton das erste Seebad für Hautkranke, für Knochen und Drüsentuberkulose und gibt zum Trinken des rohen MW (l/3 1/2 Liter täglich) Kuranzeigen, die auch heute noch beachtenswert sind.
Im Jahre 1857 erschien von dem Triester homöopathischen Arzt Hillberger in der Zeitschrift des Vereins homöopathischer Ärzte Österreichs eine klassische Sammlung aller, von ihm, im Gebrauch der Mittelmeerbäder bei vielen hunderten seiner Patienten, beobachteten, guten und schlechten Wirkungen des Meerwassers.
Diese, ganz im Geiste Hahnemanns geordneten, Wirkungsbilder der dortigen Meerbäder stellen eine Art Arzneiprüfung dar und wurden zur ersten Anregung der weiteren Beschäftigung mit diesem universalen Mineralwasser.
1871 erfolgte dann auch eine, allerdings nur fragmentarische, Prüfung des MW an 4 gesunden Probanden durch den amerikanischen Arzt C. Wesselhöft.
Weitere Arbeit übernahm ab 1904 der französische Biologe Rene Quinton in Paris, der eingehende Studien über die Physiologie des MW mit zahlreichen Tierversuchen am College de France betrieb und sein grosses Werk "L'eau de mer, milieu organique" dem Physiologen E. J. Marey widmete.
Quinton gilt als der Entdecker des Gesetzes von der "marinen Konstanz", welches besagt, dass tierisches Leben im Zustand der Zelle zuerst im Meer erschien und dass dieses Leben durch die ganze Tierreihe in allen Zeitaltern und Entwicklungsstufen ein marines Milieu für alle den Organismus bildenden Zellen festgehalten hat.
Quinton verlangt im Gegensatz zur bisherigen Thalassotherapie mit ihrem Baden und Trinken eine "mehr direkte Meertherapie" durch subkutane oder intravenöse Injektion isotonischer, kalt sterilisierter MW Lösungen.
Diese "Quintonisierung" breitete sich damals in ganz Westeuropa aus, es bildeten sich eigene Heilanstalten, in denen mit MW besonders bei schweren Säuglingstoxikosen die damalige hohe Mortalität von 90% auf 15% herunter gedrückt werden konnte.
Arnulphy in Nizza, begeistert von der tonischen Allgemeinwirkung dieses Quintonverfahrens, trat für seine regelmässige Anwendung bei allen Schwangeren ein.
Schweizer und Berliner Homöopathen berichteten über Erfolge mit der subkutanen Methode, ohne aber Quinton's hohe Gaben von 10 mal 300 ccm zu verwenden.
Gisevius vor allem hat das Verdienst, auch deutsche Firmen zur Herstellung von MW Ampullen veranlasst zu haben.
Von Stauffer z.B. wurde eine D4-Dil. von Nordseewasser gegen Kröpfe und Drüsenschwellungen gegeben.
Interessant ist, dass nicht nur die oralen oder parenteralen Applikationen des MW eine Rolle spielen, sondern auch die Aerosole.
Durch die Kaltvernebelung geschieht mehr, als die bekannte Schleimlösung.
In der Regel ist unser Körper mit Kochsalz übersättigt, dagegen fehlen ihm jedoch die, hier gebotenen Seltensalze und Spurenelemente, die vom Säftestrom aufgenommen werden und eine rasche, sicht- und fühlbar werdende, Belebung des ganzen Menschen deutlich werden lassen.
Unter den Heilanzeigen des MW spielten Leber und Gallestörungen zu allen Zeiten eine besondere Rolle, was schon Russel und Hillberger betonten.
Bei der, heute so häufig gewordenen, Leberdystrophie sollten, um eine rasche und nachhaltige Umstimmung zu erreichen, neben der Eigenbluttherapie die subkutane Injektion von isotonischem MW in Ampullen eingesetzt werden.
Die richtige Dosierung ist 2 - 3 mal wöchentlich je 10,0ml.
Dabei bessern sich schnell Gesichtsfarbe, Appetit und Verdauungskraft des Magens.
Wem die tonische Wirkung des Mittels zu vieldeutig ist, dem sei gesagt, dass wir schliesslich gute Testobjekte für die Wirkung in Form lebender Seetiere in Meerwasseraquarien haben.
Sartorius konnte das, drei Monate abgestandene, Wasser und die, infolgedessen verblassenden, Farben der Tiere seines Aquariums sofort neu beleben durch den Zusatz kleiner Mengen von Meeressole.
Seerosen und Seenelken gewannen rasch ihre prächtigen natürlichen Farben zurück.
Gelbsucht:
Das MW enthält an Kupfer 5/1000 mg, an Arsen sogar 15/1000 mg je Liter, demgegenüber an Eisen nur kleinste Spuren (2/1000 mg).
Es ist der eisenärmste natürliche Stoff der Erde.
Die Homöopathie schätzt aber gerade Arsen und, Kupfer als wertvolle Mittel bei den, heute oft so schwer zu beeinflussenden, Spätfolgen der Hepatitis epidemica und anderer Gelbsuchtsformen.
Wenn durch die Leber, dieses heute vielfach im Zustand der Stagnation befindliche zweitgrößte Organ des Körpers, welches immer neu beladen wird mit den berüchtigten sträflichen Nahrungsmitteln, Genuss- und Arzneigiften, ein reinigender Strom von MW gesendet wird, zum Kurbeginn nachdrücklich subcutan, später peroral, so empfinden viele Kranke dieses als ungemein wohltuend.
Der vorher dunkle, spärliche Urin wird heller, die anfangs positive Urobilinogenreaktion wird negativ, die Müdigkeit verschwindet und das Allgemeinbefinden bessert sich so sehr, dass jene quälenden Leberfunktionsproben sich von selbst erübrigen.
In der Osmotherapie spielen hypertonische Lösungen, von 50% Dextropur, aber auch solche von einer dem MW stark angenäherten Zusammensetzung eine zunehmende Rolle als physikalische Wecker eines lebhaften Säftestromes in bestimmten Körpergebieten.
Es sei deshalb daran erinnert, dass in der deutschen und französischen homöopathischen Literatur Vorarbeiten mit unverdünntem, also hypertonischem, keimfreiem MW geleistet wurden.
Selbst Injektionen bis zu 100 ccm p. d (in mehreren Portionen) i.m. erwiesen sich als fast schmerzlos verträglich.
Um die, damit erreichte, Umstimmung festzuhalten, rät O. Leeser, später zu potenzierten Aqua marina Gaben zu greifen.
Unser Nordseewasser, ein entgiftendes Tonicum in seinen verschiedenen Anwendungsformen als Aerosol, als subkutane und intravenöse Gabe, isotonisch oder hypertonisch gewählt bei klar erkannter Indikation, hat sich in der Hand des selbständigen Praktikers, wie wir sehen, seinen beachteten Platz gewonnen.
Heute liefern mehrere Großfirmen gereinigtes und trinkfertiges Meerwasser.