Skip to main content

Progressive Muskelentspannung

Eine Entspannungsmethode für Erwachsene, Jugendliche und Kinder

Die Progressive Muskelentspannung (PME), auch Progressive Muskelrelaxation (PMR) genannt, ist heute ein Grundbestandteil der Verhaltenstherapie.

Es ist bekannt, dass Stress und psychische Belastungen wesentlich dazu beitragen, dass es zu gesundheitlichen Beschwerden kommen kann. So nehmen zum Beispiel die Ängste heute stetig zu. Vielen Menschen geht dadurch die Lebensqualität verloren. Dabei kann es unter anderem zu Schlafstörungen, Magen - und Darmproblemen, Kopfschmerzen und vielen anderen Symptomen und Erkrankungen kommen. Auch das Burnout – Syndrom ist heute kein Fremdwort mehr. Der Organismus sowie die Psyche sind durcheinander und der Mensch ist aus dem Gleichgewicht geraten. Er befindet häufig im Disstress – im Dauerstress. Dabei kommt es zu einer negativen Veränderung des Blutdrucks. Der wichtige und ausgleichende Eustress ist häufig nicht ausreichend bis gar nicht mehr vorhanden. Die psychische Anspannung ist dann auch als körperliche Anspannung zu spüren. In Anspannungs- und Erregungssituationen (wie zum Beispiel in Angstsituationen) kommt es in der Regel zu einer Verkürzung der Muskelfasern und umgekehrt kommt es dementsprechend in einer entspannten Situation zu einer Entspannung der Muskulatur.

Das machte sich1930 der Arzt und Psychotherapeut Edmond Jacobson zunutze und entwickelte die Progressive Muskelentspannung. Durch umfangreiche Untersuchungen war er in der Lage, den Zusammenhang zwischen verstärkter muskulärer Anspannung und unterschiedlichen Erkrankungen nachzuweisen. Jacobson entwickelte eine physiologische Methode, um sich mit Angst und Spannung auseinander zu setzen und sie anzugehen. So stellte er fest, dass unter anderem Angst durch die Behebung der Spannung beseitigt werden kann. Die muskuläre Entspannung, das heißt keinerlei Muskelkontraktion mehr, wurde als der direkte physiologische Gegensatz zur Spannung erkannt. Im fortgeschrittenen Stadium der Progressiven Muskelentspannung entspannt sich nicht nur die Skelettmuskulatur, sondern auch die glatte, unwillkürliche Muskulatur der inneren Organe und es kommt zur vegetativen Umschaltung. Der Organismus beruhigt sich und die Atem- und Herzfrequenz wird auf ein normales Niveau herabgesetzt. Dadurch, dass das Stresshormon Adrenalin weniger ausgeschüttet wird, kommt es zur Sympathikusdämpfung. Durch den verstärkten Einfluss des Parasympathikus kann der Blutdruck sinken, es kommt zum Ausgleich der beiden Antagonisten und das Gleichgewicht ist wieder hergestellt. Das Ziel der Progressiven Muskelentspannung ist die Wiederherstellung des körperlichen und seelischen Gleichgewichts.

Jacobson vermittelte das Verfahren in vielen langen Sitzungen. Da das in der heutigen Zeit kaum noch jemandem zuzumuten wäre, wurde die Progressive Muskelentspannung im Laufe der Zeit zu einem Kurzverfahren modifiziert. Wobei die ersten Sitzungen, dadurch bedingt, dass mit 16 Muskelgruppen begonnen wird, immer noch relativ lange dauern. So ist es besonders wichtig, die Patienten schon in der ersten Stunde so zu motivieren, dass sie in diesem frühen Stadium bereits erkennen, wie einfach die Methode zu erlernen und wie wohltuend diese Möglichkeit der Entspannung ist. Mit Erwachsenen wird mit der Anspannung und Entspannung mit 16 Muskelgruppen begonnen. Dabei wird jede Muskelgruppe 5 und 7 Sekunden angespannt, wieder gelöst und danach 30 bis 45 Sekunden entspannt. Ist die An- und Entspannung mit 16 Muskelgruppen gut umgesetzt und erlernt, kann das Verfahren auf 7 Muskelgruppen verkürzt werden. Danach verkürzt sich die Progressive Muskelentspannung auf 4 Muskelgruppen. Ein weiterer Schritt zur verkürzten Umsetzung ist dann das Vergegenwärtigungsverfahren. Dabei findet die An- und Entspannung nur noch in der Vorstellung statt. Der letzte Schritt ist das Zählverfahren. Dabei kommt es innerhalb kürzester Zeit, nur durch kurzes Zählen, zur Entspannung. Und das ist dann auch in alltäglichen und schwierigen Situationen umsetzbar. Um zu dieser Automatisierung zu kommen, benötigt man allerdings einige Wochen bis Monate des Erlernens und Übens dieser Methode. Am Ende bedarf es nur noch eines Schlüssels, in Form der Zahlen oder auch eines Wortes (zum Beispiel „Atem“), um in den Zustand der Entspannung und des Loslassens zu kommen.

Seit über 10 Jahren arbeite ich in meiner Praxis sehr erfolgreich mit dieser Entspannungsmethode. Sie ist relativ schnell zu erlernen und sehr effektiv. Häufig verbinde ich die Progressive Muskelentspannung neben dem Autogenen Training auch mit einer klientenzentrierten psychologischen Beratung, um begleitend Strategien zu erarbeiten, die zusätzliche positive Veränderungen für die Betroffenen herbeiführen.

Wie sich in den letzten Jahren herausgestellt hat, kann die Progressive Muskelentspannung auch mit Kindern sehr erfolgreich umgesetzt werden. Da der Beginn mit 16 Muskelgruppen zu lang und auch nicht nötig ist, wird mit 8 Muskelgruppen begonnen. Es ist allerdings angemessener, die klassische Vermittlung der Progressive Muskelentspannung nur bei älteren Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Bei kleineren Kindern ist es sinnvoller, die Progressive Muskelentspannung über Fantasiereisen oder spielerische Übungseinheiten zu vermitteln.

Leider gibt es für die Progressive Muskelentspannung mit Kindern noch nicht sehr viele Angebote im therapeutischen Alltag. Die Progressive Muskelentspannung kann sowohl in Kursen als auch in Einzelsitzungen vermittelt werden.

 

 

 

Claudia Reeker-Lange
Psychologische Beraterin (VFP), Entspannungspädagogin, Physiotherapeutin, Autorin
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bücher zum Thema: „Handbuch der Progressiven Muskelentspannung für Kinder“, Claudia Reeker Lange, Patricia Aden, Sabine Seyffert , Klett-Cotta Verlag „Handbuch der Progressiven Muskelentspannung“ Douglas Bernstein und Thomas Borcovec, Klett-Cotta Verlag

Beiträge auf Heilpraktiker.de