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Suizid-Präventionstag: Corona könnte Zahl der Selbsttötungen steigen lassen

Arbeitsplatzverlust und Einsamkeit sind Hauptursachen für den „letzten Ausweg“ Der 10. September ist Welt-Suizid-Präventionstag. Nach Auffassung der  Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt Suizid eines der größten „Gesundheitsprobleme“ der Welt dar. Ihrer Einschätzung nach ist die Selbsttötung in erster Linie auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Wir sehen das differenzierter.

Die Zahlen sind erschreckend: Jedes Jahr sterben weltweit rund 800 000 Menschen durch Suizid. Bei jungen Erwachsenen ist die Selbsttötung die häufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen.  Generell aber steigt die Suizidgefahr mit zunehmendem Alter.

Der immer noch weit verbreitete Begriff „Selbstmord“ ist abzulehnen: Mord setzt niedere Beweggründe, Heimtücke und Arg- oder Wehrlosigkeit des Opfers voraus. Keiner dieser Punkte trifft auf einen Suizid zu. Der Begriff drückt die vor allem kirchliche Sichtweise aus, nach der eine Selbsttötung per se zu verurteilen ist. Das aber sieht der Europäische Gerichtshof anders: 2011 wurde das Recht auf Beendigung des eigenen Lebens als Menschenrecht bestätigt.

Allerdings lassen sich die meisten Selbsttötungen verhindern – und das durchaus im langfristigen Interesse des Betreffenden. In der Mehrzahl der Fälle ist eine psychische Störung Ursache der Selbsttötung. Allerdings kann man davon ausgehen, dass sich die jeweils verantwortliche Störung aus einem konkreten Anlass oder aus einer als  anhaltend belastend empfundenen Situation heraus entwickelt hat. Anders gesagt: Hätten der Betroffene (70 Prozent der Suizidenten sind männlich) oder das Umfeld rechtzeitig reagiert und sich professionelle Hilfe gesucht, wäre die Selbsttötung meist zu verhindern gewesen.

So haben Untersuchungen der Psychiatrischen Uniklinik Zürich („Suicide, unemployment, and the effect of economic recression“, The Lancet, Psychiatry, Februrar 2015) ergeben, dass in rund 20 Prozent der Fälle der Verlust des Arbeitsplatzes Anlass für einen Suizid war. Freilich kann sich aus dem Job-Verlust eine Depression entwickeln, die dann letztlich in die Selbsttötung führt. Aber die Depression war ja nicht ursächlich für die Verzweiflungstat.

Damit steht zu befürchten, dass die Corona-Krise die Zahl der Selbsttötungen steigen lässt. Trotz aller mehr oder weniger erfolgreichen Versuche des Staates, wirtschaftliche Folgen der Pandemie abzufedern, werden viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Das kann – wie die Züricher Studie belegt - als eine hochgradig bedrohliche Situation empfunden werden und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch wegen des subjektiven Gefühls, „versagt“ zu haben, „es nicht zu schaffen“.

Ein stabiles soziales Umfeld wird in diesen Situationen nicht immer helfen, denn oft wird das Gefühl des Versagens/Scheiterns ja gerade gegenüber dem sozialen Umfeld bis in die Kernfamilie hinein empfunden. Hier sind Profis gefragt, die aber ihrerseits auf die Eigeninitiative der Betroffenen oder ihrer Angehörigen angewiesen sind, um mit den Gefährdeten überhaupt erst einmal in Kontakt zu kommen. Wir sind also gut beraten, unsere Kompetenz in diesem Bereich möglichst breit gestreut zu vermitteln.

Mit steigendem Alter steigt die Suizid-Häufigkeit rapide an – insbesondere bei Männern. Wenn die Lebensqualität altersbedingt ohnehin schon als gering empfunden wird, kann Einsamkeit ausreichen, um sich zum Suizid zu entschließen. Hinzu kommen in vielen Fällen schwere Erkrankungen. Auch in dieser Altersgruppe können stabile soziale Strukturen helfen, Selbsttötungen zu verhindern. Während aber bei potenziellen Risikofaktoren wie Jobverlust, Verlust des Partners oder der Kinder eher fachliche Kompetenz der Helfenden gefragt ist, stehen bei alten Menschen soziale Wärme, echtes Interesse und Wertschätzung im Mittelpunkt.

Carolin Donath und Kollegen haben in einer Studie („Is parenting sytle a predictor of suicide attemps in a representive sample of adolescents?“, BMC Prediatrics, 2014) untersucht, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit von Suizid-Versuchen bei Jugendlichen beeinflussen. Ein Ergebnis: Ein eher konsequenter Erziehungsstil der Eltern verringert die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind einen Suizidversuch unternimmt. Klare Strukturen schaffen Sicherheit.


Autor: Jens H.

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