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Hydrosport für Hunde

Reha mit dem Unterwasserlaufband

Als Begründer der Wasser- bzw. Hydrotherapie in Deutschland gelten die niederschlesischen Ärzte Siegmund Hahn (1664 -1742) und dessen Sohn Johann Siegmund Hahn (1696-1773), dessen Buch von 1738 100 Jahre später der damalige Philosophie- Student Sebastian Kneipp (1821-1897) in der Münchener Hofbibliothek fand und daraus später seine eigene Therapie entwickelte. Beide „Wasserhähne“ waren Stadtphysikus in Schweidnitz.

2010-05-Hydrosport1Die Aquatherapie ist ein Teilgebiet der Physiotherapie und wird seit einigen Jahren mit großem Erfolg auch bei Hunden angewendet. Hierbei erfährt das Wasser als Heilmittel eine große Bedeutung. So schonend die Aquatherapie ist, so effektiv ist sie auch. Ihr Einsatz erfolgt überwiegend bei Erkrankungen und Schwächen des Bewegungsapparates, aber auch beim Ausdauertraining von Dienst- und Sporthunden. 

Ein modernes und höchst effektives Therapiegerät in der Wasseranwendung ist das Unterwasserlaufband. Hier werden die Kraft und die Leichtigkeit des Wassers mit der Arbeit des Gehens verbunden. Im Grunde lernt der kranke bzw. geschwächte Hund, auf dem Unterwasserlaufband wieder richtig und ohne Schonhaltung zu gehen. Geschwächte Muskeln werden sehr schnell wieder aufgebaut.

Viele Hunde, ob jung oder alt, leiden zuchtbedingt oder durch Fehlbelastung an Erkrankungen und Veränderungen des Bewegungsapparates. Diese können sehr vielfältig sein und sind nicht immer eindeutig zu diagnostizieren. Manchmal gibt es auch keine 100%ige Therapie dieser Erkrankungen (z.B. Arthrose). Auch hier dient die Unterwasserlaufband-Therapie langfristiger Symptomfreiheit und einer massiven Verbesserung der Lebensqualität der Tiere.

Die Knochen und Gelenke stellen den passiven Teil des Bewegungsapparates dar. Geführt und gehalten werden sie von Muskeln, Sehnen und Bändern (= aktiver Teil des Bewegungsapparates). Nur gut ausgebildete und nicht verkrampfte Muskeln können das zugehörige Gelenk in entsprechender physiologischer und damit schmerzfreier Position halten. Und hier liegt meist der wunde Punkt bei Erkrankungen des Bewegungsapparates. Ist eine Operation an einem Gelenk notwendig, muss danach eine Ruhephase eingehalten werden. In dieser Zeit beginnt der Muskel massiv zu atrophieren.

Bei chronischen Gelenkschmerzen oder Rückenschmerzen nimmt das Tier automatisch eine Schonhaltung ein, um den schmerzenden Bereich des Körpers zu entlasten. Auch diese entlasteten Muskeln atrophieren oder verkrampfen. Ein verkrampfter Muskel steht immer unter Kontraktion, er kann nicht mehr entspannen, ein neuer Schmerzbereich entsteht. Um diesen Schmerz zu kompensieren, muss ein weiterer Körperteil oder -bereich mehr belastet werden. Dadurch entsteht Überlastung und andauernde Muskelverspannung, die sehr schnell in Schmerz ausartet.

Beispiel Knieoperation: Nach der OP ist eine kurze Ruhephase einzuhalten. In dieser Zeit können sich Ober- und Unterschenkelmuskulatur sowie die Muskulatur der Glutaeusregion massiv abbauen. Um den Schmerz nach der Operation zu kompensieren, belastet das Tier vermehrt das nicht operierte Knie bzw. die Schultermuskulatur. Diese wiederum muss die plötzliche Mehrbelastung ausgleichen und baut schnell Muskulatur auf. Die Muskulatur steht also unter Dauerstress, sie kann sich nicht mehr entspannen. Schnell entstehen Triggerpunkte (entzündete, schmerzhafte Muskelknoten) und Gelosen (Muskelverhärtungen), und schon zieht sich das Krankheitsbild vom Knie über die Wirbelsäule zur Schultermuskulatur. Die gesamte Statik des Tieres wird abnorm. In dieser Phase wundern sich die Besitzer oft, warum ihr Hund auf einmal nicht mehr friedlich mit Artgenossen umgeht. Warum hat sich der Hund im Verhalten verändert? Vielleicht hat er einfach Schmerzen.

Vergleichen wir diese Situation mit einer Knieoperation beim Menschen. Wir bekommen Gehstützen, um uns nach der Operation fortbewegen zu können. Haben wir aber keine ausgeprägte oder trainierte Rücken- oder Schultermuskulatur, merken wir schnell, dass das Gehen mit Stützen zum Kraftakt wird.

Auch hier bilden sich rasch Schmerzen, Muskelkater oder Verspannungen im Oberarm- und Schulterbereich aus, sodass wir zur Physiotherapie des Knies Massagen und Behandlungen im Bereich der Schulter benötigen.

Wichtig für einen Tierphysiotherapeuten ist, das Tier im Ganzen zu sehen, gekoppelte Mechanismen und Probleme zu erkennen und zu lösen, die nicht immer nur mit dem behandelten Körperteil in Verbindung stehen. Mit der Therapie im Unterwasserlaufband werden alle Muskeln schonend und schmerzfrei trainiert. Die Mechanik und Funktion des Unterwasserlaufbandes ist sehr gut und detailliert auf den physischen und auch psychischen Bedarf des Hundes konstruiert.

Das Therapiebecken ist auf 3 Seiten verglast, sodass der Hund nicht nur nach oben, sondern auch seitlich, nach vorn und hinten über die Glasscheiben Kontakt zu seinem Besitzer aufnehmen kann, Der Hund fühlt sich nicht eingeengt. Die Glasscheiben begünstigen auch die Beobachtung durch den Therapeuten während der Therapie und ermöglichen notwendige Korrekturen.

Das Ein- und Aussteigen wird dem Hund durch eine spezielle hundegerechte Vorrichtung erleichtert. Die Längsseite des Beckens kann als bequeme Einstiegsrampe oder Gangway mit spezieller Antirutschmatte zum absolut stressfreien Einsteigen in das noch trockene Therapiebecken genutzt werden. Leckerli zur positiven Konditionierung tun das Übrige! Es gibt keine aufwendigen Hebevorrichtungen, die den Hund in Angst versetzen. Er muss auch nicht fixiert werden.

Mein Praxisgrundsatz lautet: „Ich arbeite ohne jede Fixierung und ohne Zwang!“ Natürlich kann es vorkommen, dass ein Hund den Kontakt mit Wasser oder schon den Einstieg ins Therapiebecken komplett verweigert. Dann heißt es für mich als Therapeutin, dieses Verhalten zu respektieren und meine ausgewählte Therapie zum Wohlbefinden des Hundes umzustellen.

Erst wenn der Hund den Platz im Therapiebecken akzeptiert hat, läuft das Wasser aus dem Vorratsbecken ein. Die meisten Hunde gewöhnen sich sehr schnell an das Wasser und die Unterwasserlaufband-Therapie. Eine positive Konditionierung mit Leckerli (natürlich immer in Absprache mit dem Besitzer) hilft, die Hunde für sich zu gewinnen, ebenso eine positive Ausstrahlung und Offenheit dem Hund gegenüber.

Für sensible Hunde oder der Jahreszeit entsprechend kann das Wasser angewärmt werden. Die Wasserhöhe richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung und der individuellen Kondition des Hundes. Je höher das Wasser, umso leichter ist das Eigengewicht des Hundes. Generell ist eine Reduzierung des Eigengewichtes mit dem Unterwasserlaufband von 60 bis 90 % möglich. Individuell ist festzulegen, wie stark der Hund arbeiten soll und welche Muskeln oder Muskelgruppen beansprucht werden sollen. Dabei ist das Alter des Hundes ebenso wie die allgemeine Kondition zu beachten. Eine Korrektur der Wasserhöhe ist auch während der laufenden Therapie möglich, nach entsprechender Entwicklung der Muskulatur notwendig. Auch kleine Hunde müssen keinen Grund zur Ängstlichkeit im Unterwasserlaufband haben. Speziell für kleine Hunderassen gibt es die Möglichkeit der Laufbanderhöhung.

Hat das Wasser die richtige Höhe erreicht und sich der Hund an die „nasse“ Situation gewöhnt, wird das Laufband mittels Fernbedienung in Betrieb gesetzt. Die Hunde lernen sehr schnell, was zu tun ist, um nicht an der hinteren Begrenzung anzustoßen. Animiert durch die Freude des Besitzers an der Frontscheibe, bewegt sich der Hund automatisch richtig. Die Laufbandgeschwindigkeit kann individuell und stufenlos geregelt und angepasst werden. Meine Erfahrung zeigt, dass Hunde oftmals mehr Probleme mit einem langsamen Laufstil haben, als wenn die Geschwindigkeit ihrem normalen Tempo angepasst wird.

Um gute Ergebnisse in der Korrektur des Gangbildes zu erzielen, kann es notwendig sein, den Hund während der Therapie an der Leine zu halten.

Während des Gehens im Wasser hat der Hund durch die Reduzierung des Eigengewichtes keine Schmerzen. Seine Gelenke werden entlastet und trotzdem muss der Hund gegen den Wasserwiderstand muskulär arbeiten. Er lernt die richtigen, der Bewegung entsprechenden Muskeln einzusetzen und verliert dadurch seine Schonhaltung mit Fehl- und Überbelastung falscher Muskeln.

Bereits nach 4 Anwendungen im Unterwasserlaufband, die mit entsprechenden Hausaufgaben für die Besitzer und weiteren Übungen zwischen den Therapiesitzungen kombiniert werden, ist ein deutlicher Muskelaufbau des Hundes sichtbar. Die Laufdauer der einzelnen Therapiesitzungen richtet sich nach Erkrankung, Belastbarkeit des Gelenkes (wird durch den Tierarzt bestimmt), Kondition und Alter des Hundes.

Oft bringen schon 7-10 Minuten Gehen im Wasser manche Hunde an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Auch hier ist es die Aufgabe des Therapeuten, zusammen mit dem Besitzer diese Belastbarkeitsgrenze zu erkennen und auf keinen Fall zu überschreiten. Daher wird der Hund während der gesamten Therapie beobachtet und die Zeit von Beginn bis Ende der Laufzeit genau dokumentiert.

Ist die Anwendung beendet, wird die Laufgeschwindigkeit langsam bis zum Stillstand heruntergeregelt und das Wasser aus dem Therapiebecken abgepumpt. Der Hund bleibt noch im leeren Therapiebecken und kann dort abgetrocknet werden. Das Aussteigen erfolgt wieder über die Antirutschmatte auf der Rampe. Ist der Hund draußen und hat wieder festen Boden unter den Füßen, wird erst einmal kräftig gelobt. Auch hier sollte positiv konditioniert werden, schließlich möchten wir ja, dass der Hund gern wieder in die Praxis kommt.

Für meine Hundepatienten und deren Besitzer biete ich einen kostenlosen Handtuchservice an. In der Praxis stehen für jeden Hund genügend Handtücher zur Verfügung. Das erspart dem Besitzer den Transport der meist sehr nassen und haarigen Handtücher nach Hause.

Für spezielle Erkrankungs- oder Trainingsfälle bietet das Unterwasserlaufband verschiedene Zusatzausstattungen:

Zum verbesserten Ausdauertraining besteht die Möglichkeit, das Laufband schräg zu stellen, sodass der Hund beim Gehen unter Wasser zusätzlich eine Steigung von ca. 13% bewältigen muss.

Eine Gegenstromanlage kann die benötigte Muskelkraft, gegen das Wasser anzugehen, nochmals verstärken.

Mit Unterwassermassagedüsen werden Muskeln noch besser durchblutet, entschlackt und gelockert.

Ein Obergestell mit speziellen Gurten bietet auch fast völlig gelähmten Hunden einen sicheren Halt im Unterwasserlaufband und somit die Möglichkeit der kompletten Therapie.

Der gesamte Therapieablauf kann im PC dokumentiert und gespeichert werden. Aufzeichnungen über Wasserhöhe, zurückgelegter Strecke, Laufgeschwindigkeit und -dauer, Steigungen und Pausen können zu konkreten Ergebnisberichten zusammengefasst werden.

 

Fallbeispiel 1

 Singa, ein 5-jähriger Beaglerüde, kam nach einer Bandscheibenoperation zu mir. Nach wildem Spiel mit einem viel größeren Hund erlitt er einen akuten Bandscheibenvorfall im LWS-Bereich mit kompletter Lähmung der Hinterbeine sowie Inkontinenz. Nach erfolgreicher Notoperation begann für ihn eine mehrwöchige Ruhephase. Als die Fäden gezogen waren und die Kontrolluntersuchung mit Freigabe für die Physiotherapie erfolgte, kamen Singa und seine Besitzerin zur Befundaufnahme zu mir. Singa war noch immer ab der Lendenwirbelsäule komplett gelähmt. Der Stellreflex zeigte sich sehr zögerlich. Der Tierarzt rechnete damit, dass der Hund nach 3 Monaten wieder etwas selbstständig gehen kann. Singa hatte zu diesem Zeitpunkt seine Schultermuskulatur wegen Mehrbelastung sehr stark ausgeprägt. Die Hüft-, Oberschenkel- und seitliche Rückenmuskulatur war stark atrophiert. Ab dem Rippenbogen war Singa nur noch Haut und Knochen.

Zu Beginn der Therapie im Unterwasserlaufband trug Singa eine Gehhilfe in Form einer Hose mit Tragegriff. Die Stellreflexe der Hinterpfoten waren wieder aktiv, sodass Singa eigentlich wusste, was er tun musste, um gehen zu können. Im Wasser bewegte er sich sehr leicht und man konnte deutlich sehen, wie ihm die Bewegung guttat.

Sein Gangbild verbesserte sich von Mal zu Mal. Schon bei der 2. Therapie ließen wir die Gehhilfe weg. Singa bewegte sich viel freier und konnte die Hinterbeine in physiologische Stellung bringen. Der Muskelaufbau ging erstaunlich schnell.

Nach der 4. Therapiestunde, in der wir das Unterwasserlaufband mit TENS, Akupunktur und Bewegungstherapie kombinierten, passte Singa nicht mehr in seine Gehhilfe. Aber die brauchte er auch nicht mehr. Die Muskulatur im Oberschenkelbereich und in der Glutaeusregion war wieder sehr gut ausgeprägt. Nur die seitliche Rückenmuskulatur ließ noch zu wünschen übrig. Für diese Region arbeitete ich spezielle Übungen für Singa und seine Besitzerin aus.

Noch ist die Therapie für ihn nicht beendet, da wir gerade an den Feinheiten seines Gangbildes arbeiten. Die 3 Monate, die vom Tierarzt geschätzt wurden, unterboten wir. Singa ist bereits nach 6 Wochen wieder relativ gut gelaufen und konnte schon wieder am Leben seiner Familie aktiv teilnehmen.

 

Fallbeispiel 2

Jamie, ein 5 Jahre alter Boxerrüde, fing plötzlich mit dem rechten Hinterbein an zu hinken. Dieses akute Ereignis stellte sich als ein Kreuzbandriss dar. Als Nebendiagnosen hatte Jamie aber auch Spondylosen der Wirbelsäule und Hüftdysplasie rechts. Ich lernte ihn in meiner Praxis nach seiner Knieoperation kennen. Die Besitzerin meldete sich bei mir mit dem direkten Wunsch, bei Jamie Muskeln aufzubauen, nachdem auch der Tierarzt zu dieser Therapie geraten hatte. Jamie zeigte immer wieder Überlastungen mit Hitze und Schwellung im rechten Knie.

Jamie befand sich gerade wieder in einer Phase der Gelenksentzündung durch Überlastung. Natürlich konnte ich in dieser Zeit keine aktive Bewegungstherapie durchführen. Strikte Ruhe war verordnet. Nach dieser Ruhezeit begannen wir mit Akupunktur und dem Laufen im Wasser. Anfangs etwas steif und aufgeregt, konnten wir schnell die passende Wasserhöhe und Laufgeschwindigkeit für Jamie finden. Als junger und lebhafter Hund zeigte er gehörige Ausdauer in der Therapie. Die Laufbandgeschwindigkeit musste ich wesentlich erhöhen, um Jamie ein gutes Gangbild zu ermöglichen.

Bereits in der 2. Therapiesitzung konnten wir Verbesserungen des Gangbildes feststellen. Jamie lud das rechte Hinterbein beim Vorführen nicht mehr seitlich aus, sondern führte die Bewegung nach vorn aus dem Knie heraus. Weiterhin begannen wir mit Stabilitäts- und Balanceübungen auf dem Trampolin. Mit diesen Übungen werden vor allem kleine Muskeln beeinflusst, die ebenso für die Qualität der Bewegung verantwortlich sind.

Jamie geht es mittlerweile sehr gut, er ist wieder ganz der Alte. Wir arbeiten weiterhin an Feinheiten seines Ganges.

Natürlich kann die Unterwasserlaufband- Therapie aus einem Senior keinen Junghund machen, doch die sichtlichen Erfolge dieser Therapieform sprechen für sich. Die Lebensqualität älterer Hunde mit Erkrankungen des Bewegungsapparates lässt sich merklich verbessern, die Rehabilitationszeit nach Operationen wesentlich verkürzen. Diese Methode ist sanft, und fast alle Hunde haben nach kurzer Gewöhnungsphase sichtlich Spaß am Laufen im Wasser.

 

Ina Planer  ina-planer-Hydrosport
Tierheilpraktikerin (VDT) und Tierphysiotherapeutin
mit eigener Praxis in Karlsfeld
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